Beweisen kann man es nicht genau, aber es hängt wohl mit den sogenannten Spiegelneuronen zusammen.
Spiegelneuronen zeigen beim "Betrachten" eines Vorgangs Aktivität
Spiegelneuronen sind bestimmte Gehirnstrukturen, die man zumindest bei Affen und Menschen finden kann. Die zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur aktiv sind, wenn man selbst eine bestimmte Tätigkeit ausführt, sondern auch wenn man sieht, wie es jemand anderes tut.
Mir selbst ging es zum Beispiel als Schüler immer so, wenn wir im Sportunterricht Hochsprung gemacht haben: Immer wenn einer vor mir in der Reihe abgesprungen ist, hat’s auch in meinem Bein gezuckt und ich musste mich beherrschen, dass mein Bein nicht auch abhebt. Als dann diese Spiegelneuronen entdeckt wurden, hatte ich endlich eine Erklärung, warum das so ist.
Und auf ähnliche Weise bewirken Spiegelneuronen offenbar, dass wenn wir jemanden Gähnen sehen unser Gehirn sozusagen denkt: "Stimmt eigentlich, danach ist mir auch gerade" – und einen entsprechenden Impuls sendet.
Spiegelneuronen bilden Geisteszustände des Gegenübers ab
Diese Spiegelneuronen sind ja nicht nur bei Bewegungen aktiv, sondern sie werden heute auch für ein wesentliches Merkmal des menschlichen Geistes verantwortlich gemach: Wir können uns in andere einfühlen und aus Gesichtern lesen. Und wir können Schlüsse ziehen aus der Art, wie jemand spricht, aus der Stimme. Daraus können wir ablesen, wie es anderen geht. Das können wir, weil die Spiegelneuronen die Geisteszustände des Gegenübers in gewisser Weise abbilden.
Vor einigen Jahren haben britische Forscher Experimente gemacht. Sie haben zum Beispiel in einen Warteraum Testpersonen gesetzt. Jemand aus dem Forschungsteam setzte sich incognito dazu und hat demonstrativ lange und ausgiebig gegähnt. Die Forscher haben beobachtet, wer anfängt mitzugähnen und wer nicht. Dann haben sie mit den gleichen Testpersonen hinterher einen psychologischen Test gemacht, bei dem die Fähigkeit getestet wurde, wie gut sich jemand in den Gemütszustand eines anderen hinein versetzen kann.
Warum gähnen wir überhaupt? Wozu ist Gähnen gut?
Das Ergebnis: Die Leute, die sich vom Gähnen eines Mitmenschen besonders anstecken lassen, haben auch hohe Empathiewerte. Sie besitzen also ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. Und umgekehrt waren die Leute, die im psychologischen Test ein schlechtes Einfühlungsvermögen gezeigt haben, relativ immun gegen die Gähn-Attacken, ließen sich also nicht anstecken.
Körper Wozu ist Gähnen gut?
Oft, aber nicht immer ist Gähnen ein Symptom von Müdigkeit. In der Wissenschaft kursieren verschiedene Theorien über die Funktion des Gähnens: Von Sauerstoffzufuhr bis Gehirnkühlung. Von Alina Metz. | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.