12 Mondzyklen – 12 Monate
Hier stellt sich zunächst die Frage: Warum die Zahl 12? Dazu gibt es keine eindeutigen Antworten, aber viele Hinweise. Schon die frühen Astronomen erkannten: Nach 12 Mondzyklen wiederholen sich die Jahreszeiten. Deshalb hat das Jahr 12 Monate. Vielleicht steckte dahinter einfach der Gedanke, diese Zahl auf die Unterteilung des Tages zu übertragen.
Die 12 ist außerdem eine unheimlich praktische Zahl. 12 Sachen lassen sich gut in brauchbare Portionen teilen: halbieren, dritteln, vierteln.
Symbolträchtige Zahl in den alten Religionen
Möglicherweise spielt die Zahl deshalb in den alten Religionen eine so symbolträchtige Rolle: Sowohl die römische als auch die griechische Mythologie kennen jeweils 12 Hauptgötter. Die Bibel erzählt uns von 12 Stämmen Israels und von 12 Aposteln. Der schiitische Zweig des Islams geht von 12 Imamen als Nachfolger Mohammends aus.
Wir kennen sogar ein eigenes Wort für eine Menge von 12 Dingen: Das Dutzend.
Getrennte Welten: Tag und Nacht
Die 12 war also eine wichtige Zahl. Den Tag allerdings teilte man nicht in 12 Stunden ein, sondern in zweimal 12 Stunden. Warum nicht gleich 24?
Das kommt aus einer Zeit, als für die Menschen Tag und Nacht noch getrennte Welten waren. Als es nachts wirklich dunkel war ohne künstliches Licht und sich das Leben vor allem tagsüber abspielte. Tagsüber konnte man die Zeit einigermaßen gut messen bzw. den Tag zeitlich strukturieren – nämlich mithilfe von Sonnenuhren.
Altes Ägypten: 12 Sterne am Himmel im Verlauf der Nacht
Die Menschen fanden aber auch Möglichkeiten, die Nacht zu strukturieren: Vor über 4.000 Jahren haben Astronomen im alten Ägypten die Nacht in Stunden eingeteilt. Dafür haben sie für jede Zeit des Jahres am Nachthimmel 12 Sterne auserkoren, die verlässlich der Reihe nach auf- und untergingen. Ging der nächste Stern auf, brach eine neue "Nachtstunde" an.
Die Stundengöttinnen
Das war auch religiös-mythologisch aufgeladen: Die Ägypter stellten sich dabei 12 Ruderer vor, die ein Boot mit dem Sonnengott Re durch die Unterwelt ziehen. Er muss 12 Tore passieren, 12 Bereiche durchqueren, 12 Gefahren überwinden. Für jedes dieser Tore stand eine Stundengöttin.
Diese Sterne nannte man später Dekan-Sterne (deka = zehn), weil alle zehn Tage eine andere 12er-Gruppe diese Funktion übernahm. Über das Jahr waren es 47 Sternen bzw. Sterngruppen. Deshalb brauchte man aufwändige Tabellen, in denen man gucken konnte, welche Sterne gerade dran waren.
Entscheidend ist: Es ging – nur dass das Messsystem nachts mit den Sternen ein komplett anderes war als tagsüber mit Sonnenuhren. Später gab es nicht nur für jede der 12 Nachtstunden eine Göttin, sondern auch 12 für den Tag.
Älteste bekannte Sonnenuhr: eingeteilt in 12 Stunden
Auf der ältesten bekannten Sonnenuhr erkennt man bereits die Einteilung in 12 Stunden. Sie ist etwa 3.200 Jahre alt und wurde von Forschenden der Uni Basel im Tal der Könige in Ägypten ausgegraben. Der Überlieferung nach hatten die alten Griechen die Sonnenuhr mit den 12 Stunden von den Ägyptern und Babyloniern übernommen. Von dort ist sie dann ins Römische Reich gelangt und hat sich in Westeuropa ausgebreitet.
Nun ist es so, dass die Tage im Sommer länger sind als im Winter. Trotzdem gab es am Anfang das Bedürfnis, den Tag analog zur Nacht immer in 12 Stunden einzuteilen. Das hatte zur Folge, dass im Sommer – wenn die Tage länger sind – auch die Stunden länger waren als im Winter. Diese je nach Jahreszeit unterschiedlichen Stunden nennt man auch "temporale Stunden". Damals waren tatsächlich Sonnenuhren in Gebrauch, die diese temporalen Stunden abbilden konnten.
Man könnte meinen, das geht nicht: Die Sonne bewegt sich im Winter ja nicht schneller über den Himmel als im Sommer. Und das Gleiche gilt natürlich auch für den Schatten, den zum Beispiel ein Stab wirft, den man in die Erde steckt. Hängt man allerdings eine Sonnenuhr senkrecht an eine Wand, ändert sich der Schattenwinkel mit der Jahreszeit durchaus – und das kann man dann auch berücksichtigen.
Also: Die 12 Stunden der Nacht wurden durch die Dekan-Sterne definiert. Die 12 variablen Stunden am Tag durch die temporalen Sonnenuhren.
Erste mechanische Uhren im späten Mittelalter in Italien
Im späten Mittelalter, im 14. Jahrhundert, kamen in Italien die ersten mechanischen Uhren auf. Die funktionierten natürlich bei Tag und bei Nacht. Diese Uhren hatten noch keine Zeiger, sondern eine Glocke, die bei 1 Uhr einmal schlug, bei 2 Uhr zweimal und so weiter.
Aber wo fing man mit dem Zählen an? Die italienische Zählweise, die auch in anderen europäischen Gebieten bis ins 17. Jahrhundert verbreitet war, begann mit Sonnenuntergang und zählte durch bis 24. Das war aber unpraktisch. Zum einen, weil man die Uhrzeit immer an den Sonnenstand anpassen musste. So konnte es passieren, dass im Winter die Mittagssonne um "4 Uhr" am höchsten stand, im Sommer um "8 Uhr". Zum anderen: Wer zählt schon 23 Glockenschläge, ohne sich zu verzählen?
Technisch eleganteste Lösung setzt sich durch
Schließlich setzte sich die technisch eleganteste Lösung durch: Eine Uhr mit 12 gleich langen Stunden, bei der 12 Uhr mittags bzw. mitternachts ist. Da hängt die Uhrzeit dann nicht mehr von der Tageslänge ab. Weil die Technik einfacher ist, geht sie auch nicht so schnell kaputt. Und die "kleine Uhr" hatte noch einen sehr praktischen Vorteil: Es ist viel leichter, die Uhrzeit am Glockenschlag mitzuzählen, wenn es höchstens 12 mal bimmelt.
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Unsere Quellen
Transparenz ist uns wichtig! Hier sagen wir Ihnen, woher wir unsere Infos haben!
Zeit – Eine Kulturgeschichte. Propyläen 2015
Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnung. Carl Hanser Verlag 1992
Astronomy in Ancient Egypt. In: P. T. Keyser, J. Scarborough (Hg.): The Oxford Handbook of Science and Medicine in the Classical World. Oxford 2018
Telling Time in Ancient Egypt. In: Heilbrunn Timeline of Art History. New York: The Metropolitan Museum of Art 2017