Morgens nach dem Aufstehen oder abends nach einem langen Tag am Schreibtisch: Häufig schmerzt es arg im Nacken – wer kennt das nicht. Nackenschmerzen sind der dritthäufigste Beratungsanlass in hausärztlichen Praxen in Deutschland. Besonders belastend: Wenn die Schmerzen chronisch werden und monatelang bleiben.
Jeder Zweite leidet mindestes einmal im Jahr unter Beschwerden im Bereich der Halswirbel. Meist sind die Ursache Muskelverspannungen. Die Gefahr: Tut man nichts dagegen, kann es zu gefährlichen Folgeschäden kommen. Wir zeigen, was hilft, um den Nacken zu entlasten und Schmerzen vorzubeugen.
Viel Sitzen in ungünstigen Positionen – zwei Arten von Nackenschmerzen
Unser Lebensstil stellt für den Nacken eine große Herausforderung dar. Zu oft sitzen wir zu lange in ungünstigen Positionen, belasten Halswirbelsäule und Nackenmuskulatur damit auf unnatürliche Weise. Und wir bewegen uns zu wenig.
Nackenschmerzen, ein Symptom des Halswirbelsäulen-Syndroms, werden in zwei Arten unterteilt: Spezifische Nackenschmerzen haben strukturelle Ursachen wie einen Bandscheibenvorfall, Wirbelbruch oder Verschleißerscheinung, etwa im Alter. Deutlich häufiger sind aber unspezifische Nackenschmerzen, ausgelöst durch Muskelverspannungen und Wirbelblockaden.
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Spezifische Nackenschmerzen – die Symptome
Dr. Wolfram Käfer, Orthopäde und Chirurg in Kaiserslautern, beschreibt spezifische Nackenschmerzen typischerweise mit Schmerzen in Verbindung mit einer Ausstrahlung in einen oder beide Arme.
“Das kann auch verbunden sein mit Missempfindungen oder einem Kraftverlust.” Spezifische Nackenschmerzen betreffen aber weniger als zehn Prozent der Patienten.
Unspezifische Nackenschmerzen – typische Beschwerden
Die Mehrzahl der Patienten mit Schmerzen im Nackenbereich leidet unter unspezifischen Nackenschmerzen. Sie sind rein auf den Nacken begrenzt, beruhen auf muskulären Verspannungen oder Gelenkblockaden. Auch die Faszien spielen dabei eine Rolle.
Auslösende Momente sind zum Beispiel langes Arbeiten am PC oder die intensive Nutzung von Handys. Auch die Schlafposition kann eine Rolle spielen. “Alles ist auch zu sehen unter dem Aspekt von Stress“, weiß der Orthopäde.
Physiotherapie gegen Muskelverspannungen und Gelenkblockaden
Sind keine strukturellen Schäden sichtbar, verschreibt der Facharzt deshalb als wichtigste Maßnahme Physio- und Bewegungstherapie. Das Ziel der manuellen Therapie beim Physiotherapeuten ist, mögliche Blockaden der kleinen Zwischenwirbelgelenke zu lösen.
Manuelle Therapie: Mobilisation und Kräftigung der Muskeln
Gelenke können sich durch Fehlhaltungen blockieren. Raffaele Crispino, Physiotherapeut in Kaiserslautern, erklärt die Therapie so: “Die manuelle Therapie löst die Blockaden auch durch sanfte Mobilisation, wie zum Beispiel Traktion, um die Gelenke auseinanderzuziehen und die Blockaden zu lösen."
Außerdem geben Physiotherapeuten den Patienten spezielle Übungen für den Alltag mit, die sie möglichst täglich üben sollten. Mit isometrischen Übungen etwa werden Muskeln durch Anspannung effektiv gekräftigt.
Crispino rät zudem: “Bei Nackenschmerzen ist besonders wichtig, auch die vorderen Muskeln am Hals zu trainieren.” Die hinteren Muskeln sind meistens bereits verspannt durch den Alltag und die vorderen zu schwach. Dieses Ungleichgewicht kann durch die Kräftigung im vorderen Bereich wieder ausgeglichen werden.
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Dehnübungen zur Lösung von Muskelverspannungen
Neben Kraftübungen sind vor allem Dehnübungen wichtig, um die schmerzhaften Muskelverspannungen lösen. Crispino rät bei einer Übung zum Beispiel, den Kopf schräg nach unten zu ziehen.
Dadurch entsteht eine Dehnung hinten am Nacken, dieser Muskel zieht bis hin zu den Schulterblättern. Diese Dehnung soll 20 Sekunden gehalten werden.
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Akupunktur gegen Nackenschmerzen
Bei einer Therapie durch Akupunktur werden in unserem Fallbeispiel in der orthopädischen Praxis sechs Nadeln an bestimmten Triggerpunkten gesetzt. Laut aktueller Leitlinie zu Nackenschmerzen kann vor allem bei chronischen Schmerzen Akupunktur empfohlen werden. Einige Studien deuten auf eine schmerzlindernde Wirkung hin.
Michael Gonzalez, Orthopäde und Akupunkteur, erklärt, dass Akupunktur relativ risikoarm ist und so gut wie keine Nebenwirkungen hat. Er rät, einen Versuch damit zu wagen, bevor man etwa mit Schmerzmitteln beginnt.
“Schulmedizinisch könnte man sagen, man setzt dort einen Entzündungsreiz, man verbessert die Durchblutung, es werden Botenstoffe freigesetzt, damit die Beschwerden wieder rückläufig sind.“
Ob ihnen Akupunktur hilft, wissen Patienten nach mehreren Sitzungen. Allerdings wird diese Therapie für gesetzlich Versicherte bisher nicht von jeder Krankenkasse übernommen.
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Strukturelle Ursachen für Nackenschmerzen: Verschleiß
Während die meisten Nackenschmerzen also vor allem muskulär bedingt sind, wird bei jedem zehnten Patienten eine strukturelle Ursache gefunden. Häufig sind das altersbedingte Verschleißerscheinungen an den Halswirbelkörpern.
In der Halswirbelsäule liegen zwischen den Wirbelkörpern kleine Nervenaustrittslöcher, auch Neuroforamen genannt. Sind sie durch verformte Bandscheiben oder wucherndes Knochengewebe eingeengt, spricht man von Neuroforamenstenose. Die Folge: Die umliegenden Nervenwurzeln werden gereizt.
Mit einem MRT-Bild lässt sich das beispielsweise feststellen. Dann müssen oft andere Maßnahmen zur Schmerzbehandlung her.
Spritzen gegen Nackenschmerzen
Zur Schmerzbehandlung strukturell bedingter Nackenschmerzen werden etwa unter computertomographischer Kontrolle an die Nerven schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente gespritzt. In der Regel sind mehrere Sitzungen notwendig.
Wie lange die Wirkung anhält, ist unterschiedlich. Bei manchen Patienten wirken die Spritzen über ein Jahr, bei anderen viel kürzer. Nicht alle sprechen gleich darauf an.
Psycho-Edukation: Lernen mit dem Schmerz umzugehen
Um mit wiederkehrenden Nackenschmerzen besser umzugehen, wird auch psychologische Hilfe angeboten. Die Psychotherapeutin Dr. Charlotte Clessienne klärt über verschiedene Strategien zur besseren Schmerzverarbeitung auf.
„Viele Patienten schildern eine große Angst vor dem nächsten Schmerz. Das führt zu einer Angst vor Bewegung, das führt zu einem Vermeidungsverhalten, einem Schonverhalten.”
Durch die Schonhaltung komme es aber zu immer mehr Schmerz. Der Patient wird dann unterstützt in einem veränderten Umgang mit dem Schmerz - rein in die Bewegung und raus aus dem Schonverhalten.
Tipps vom Experten
Was tun, wenn Nackenschmerzen plötzlich auftreten?
Dr. Wolfram Käfer, Orthopäde und Chirurg in Kaiserslautern, rät, sich bei plötzlichen Nackenschmerzen weiter zu bewegen. “Man neigt dazu, sich nicht zu bewegen, weil man mit Bewegung Schmerz assoziiert - und das ist grundfalsch.”
Sinnvoll sei auch, die verspannte Muskulatur mit Wärme zu behandeln – etwa mit einem Wärmekissen, einer Wärmflasche oder einem ABC-Pflaster. Bewegung und Wärme sind also im akuten Fall am wichtigsten.
Wenn das nicht reiche, können auch Schmerzmittel eingenommen werden, so Käfer. Hier sollte man jedoch auf die Verträglichkeit des Medikaments achten.
Bedenken vor der manuellen Therapie – gibt es Risiken?
Zu unterscheiden ist die sogenannte Mobilisation und die Manipulation. Die Manipulation ist eine eher schnell ausgeführte Bewegung, die das Ziel hat, das blockierte Gelenk zu entblockieren.
Wenn aber strukturelle Schäden an der Halswirbelsäule vorliegen, vor allem verschleißbedingte Schäden, kann die Manipulation auch Probleme schaffen. Es gibt in der Halswirbelsäule feine Gefäße, die Vertebralarterie.
Durch Manipulation kann es zu Einrissen der Innenwand dieses Gefäßes kommen - mit schlimmen Folgen, möglicherweise einem Schlaganfall. Deshalb rät Dr. Käfer, diese Methode zurückhaltend anzuwenden.
Gegen eine Mobilisation, also gegen einen sanften Zug, spreche aber nichts. Das könne man durchaus anwenden.
Was tun, um Blockaden zu vorzubeugen?
Wichtig ist es, die Ursache für die Gelenkblockade, also die Fehlhaltung, zu vermeiden. Was tun, wenn man aber beispielsweise beruflich lange am Rechner sitzen muss?
Der Orthopäde empfiehlt, sich beraten zu lassen für die ergonomische Ausgestaltung des Arbeitsplatzes. Die Relation zum Schreibtisch und zum Monitor spiele beim Sitzen eine große Rolle.
Außerdem sollten Menschen, die viel Sitzen, regelmäßig ihre Zwangshaltung unterbrechen und aufstehen. “Alle 45 Minuten aufstehen, eine Runde um den Schreibtisch drehen und sich bewegen. Und einfach diese einseitige Haltung auflösen.”
Helfen bei Nackenschmerzen spezielle Nackenstützkissen?
Viele Betroffene vermuten, dass ihre Nackenschmerzen mit dem Kopfkissen zusammenhängen und experimentieren mit sogenannten Nackenstützkissen. Dr. Käfer erklärt, es gebe keine allgemeingültige Regel, ob das Kissen hart oder weich sein muss, hoch oder flach.
Was gerade bei Seitenschläfern eine Rolle spiele, sei, dass die Halswirbelsäule horizontal ausgerichtet ist, nicht zu hoch und nicht zu tief liegt. “Aber auf welche Weise das bewerkstelligt wird, mit welchem Kissen, das muss man ausprobieren. Es gibt keine goldene Regel dafür.”