Utopia – in welcher Gesellschaft (wollen) wir leben?
Vielfalt als Stärke begreifen, das forderte Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus. In ihrem (digitalen) Input stellte sie fünf Utopien für eine Migrationsgesellschaft mit konsequenter Teilhabe für alle und ohne Rassismus vor.
Wer gehört dazu? Migrationsgesellschaft im Wandel
Wie sich eine Migrationsgesellschaft wie die deutsche verändert – das ist Gegenstand der Forschungen von Anna-Lisa Müller vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Sie untersucht in ihrer Forschung, wie sich Städte und räumliche Beziehungen in der Migrationsgesellschaft ausgestalten und ist Ko-Leiterin Verbund-Forschungsprojektes „Räume der Migrationsgesellschaft" (RäuMig).
In ihrem Vortrag erklärte sie, weshalb in einer Migrationsgesellschaft die Perspektive heißen muss: Alle Menschen sind Teil dieser Gesellschaft. Das bedeutet einen neuen Blick auf Teilhabe; Müller erklärte dies u.a. anhand der Gestaltung von öffentlichen Plätzen. Hier ihr Input:
Da neue Miteinander – Migration und Räume der Teilhabe
Bundesweit haben mehr als ein Viertel der Menschen eine Einwanderungsgeschichte - in Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart ist es sogar die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um die konkrete Ausgestaltung vor Ort. Mit dabei waren neben Anna-Lisa Müller auch Prof. Dr. Birgit Locher-Finke vom baden-württembergischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, Saliou Gueye, Bezirksbürgermeister in Stuttgart, Fatimazahra Idkhafif, die sich als Respektlotsin engagiert, Mehmet Ildeş, der den Verein Local Diversity gegründet hat sowie die stellvertretende SWR-Intendantin und Landessenderdirektorin Baden-Württemberg Stefanie Schneider.
Die Moderation hatte Susanne Babila, SWR.
Die Diskutierenden waren sich einig, dass Räume und Möglichkeiten fehlen, damit alle Menschen besser zusammenkommen und die Zukunft der Gesellschaft gleichberechtigt gestalten können. Wie es trotz dieser schwierigen Situation doch gelingen kann und welche Rolle die Medien haben – auch darüber wurde intensiv diskutiert:
Migration ist weiblich
Beim zweiten Teil des Medienforum lag der Fokus auf Frauen mit Migrationsgeschichten.
Selbstbestimmt und sichtbar? Weibliche Perspektiven auf Migration
Welche Möglichkeiten haben Frauen mit Migrationsgeschichte sich einzubringen? Wie ist ihre Perspektive auf den gesellschaftlichen Wandel?
Wie gehen sie mit den Schubladen um, in die sie oft gesteckt werden?
Wie machen sie sich sichtbar? Wie werden sie gesehen –
auch von den Medien? Gibt es einen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland?
Diesen Fragen ging ein Panel über weibliche (post-)migrantische Identitäten nach, an dem die Journalistin und Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher:innen Ella Schindler, die Schulamtsdirektorin und
Beststeller-Autorin Florence Brokowski-Shekete und Thi Hoang Ha Vu, Projektmitarbeiterin beim Landesnetzwerk Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt" (LAMSA) teilnahmen.
Die Moderation hatte Bernice Tshimanga, SWR
Frauen und Flucht: ankommen und dann?
Ein weiterer Schwerpunkt beim Medienforum widmete sich den frauenspezifischen Fragen zum Thema Flucht, moderiert von Alina Braun, SWR. Zum einen ging es dabei um die Fragen, wie Frauen, die 2015 nach Deutschland kamen, aufgenommen wurden, welche Möglichkeiten sich ihnen boten – sei es bei Sprachkursen, sei es bei der Anerkennung mitgebrachter Diplome. Welche Wege standen ihnen offen, welche Wege konnten sie gehen? Darüber referierte die Migrationsforscherin Meltem Kulaçatan, zurzeit Vertretungsprofessorin an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Leben nach und mit der Flucht
Abgerundet wurde das Thema mit einem Panel an dem drei Frauen mit unterschiedlicher Fluchtgeschichte teilnahmen: die SPD-Politikerin aus Böblingen Jasmina Hostert, die als Kind vor dem Krieg in Bosnien floh, die Journalistin Luna Watfa, die Syrien aus politischen Gründen verlassen musste und heute in Koblenz lebt, sowie die Studierende Palwascha Azmarei, die als Kind afghanischer Geflüchteter in Ostdeutschland aufwuchs. Alle drei engagieren sich in unterschiedlichen Bereichen und sie betonten, wie wichtig es ist, Frauen zu unterstützen und Strukturen zu fördern, die ihnen Teilhabe sichern:
Zur Situation der Geflüchteten aus der Ukraine
Die Soziologin Prof. Dr. Irena Kogan von der Universität Mannheim wiederum beschäftigte sich in ihrem Input mit der Situation der Geflüchteten aus der Ukraine. In welchen Ländern suchen sie Schutz und aus welchen Gründen? Welche Abschlüsse bringen sie mit? Wie werden sie in den Alltag und in den Arbeitsmarkt integriert?
Schreiben im Exil
Zum Abschluss des Medienforums ein besonderes Highlight:
eine Lesung mit der ukrainischen Schriftstellerin und Bloggerin Zhenia Berezhna, die über das Writers-in-Exile-Programm des PEN-Zentrums
nach Deutschland kam und nun in Berlin lebt. Worüber schreibt man im Exil?
Warum geht das bisherige Genre (magischer Realismus) nicht mehr? Welche Sprache findet man? Darüber sprach sie zunächst mit Moderatorin Alina Braun. Ihr berührender Text über den Krieg, das Weggehen und Ankommen in Deutschland, den sie im Exil geschrieben hat, wurde anschließend zweisprachig vorgetragen. Die deutsche Übersetzung las Isabelle Demey, SWR.
SWR Medienforum Migration – was ist das?
Alle zwei Jahre treffen sich beim SWR Medienschaffende, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik, von Migrantenorganisationen, den Kommunen, des Kulturbereichs und interessiertes Publikum, um über aktuelle Entwicklungen zu sprechen. Dieses Jahr in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.
Die Tagungsleitung liegt bei der Beauftragten für Vielfalt und Integration des SWR, Anna Koktsidou.