Grundvertrauen entwickelt sich erst mit der Zeit
Vertrauen ist uns nicht angeboren – lediglich die Bereitschaft dazu. Das eigentliche Vertrauen müssen Kinder erst lernen, indem sie viele vertrauensvolle Erfahrungen machen.
Werden die Bindungssignale und die dahinterstehenden Bedürfnisse eines Kindes erkannt und gestillt, kann sich nach und nach das sogenannte Grundvertrauen ausbilden – viele nennen es Urvertrauen. Doch der Begriff Urvertrauen ist missverständlich, da sich Grundvertrauen erst mit der Zeit entwickelt.
Das Missverständnis entstand wahrscheinlich durch einen Übersetzungsfehler: Der Psychoanalytiker Erik Erikson sprach von "basic trust", also einem grundlegenden Vertrauen, dass die Welt sicher und gut ist. Übersetzt wurde es mit "Urvertrauen".
Der eigene Charakter hat Einfluss auf das Vertrauen
Unser Charakter beeinflusst, wie sehr wir vertrauen. Menschen mit höherer Risikobereitschaft vertrauen eher als jene mit einer geringen "betrayal aversion", also der Angst, verraten zu werden, so Persönlichkeitspsychologin Isabel Thielmann vom Max-Planck-Institut Freiburg. Und ein Restrisiko bleibt immer.
Kann man Vertrauen nach einem Seitensprung wieder lernen?
Seitensprünge seien die häufigsten Gründe für verlorenes Vertrauen, sagt Alix Heselhaus. Sie ist systemische Paar- und Sexualtherapeutin in Münster. Die Paare, die in ihre Praxis kommen, haben meistens das Vertrauen ineinander verloren.
Das verlorene Vertrauen lässt sich nur durch vertrauenswürdiges Verhalten wiederherstellen. Es geht dabei darum, sich vertrauenswürdig zu verhalten und nicht sich kontrollieren zu lassen, so Alix Heselhaus. Ähnlich wie beim Erlernen des Grundvertrauens nach der Geburt, kommt es nach einem Vertrauensbruch auf die Beständigkeit vertrauensstiftender Momente an.
In Krisen zeigt sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung
Nicht nur in privaten Krisen, sondern auch in der Corona-Pandemie zeigt sich, wie das Vertrauen der Gesellschaft in die Regierung schwankt. Denn Vertrauen ist soziales und politisches Kapital. Es ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Jan Wetzel, der am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Vertrauen aus soziologischer Perspektive erforscht, vergleicht das Vertrauen in Krisen mit einer Fieberkurve, die am Anfang sehr hoch steht. Krisen, so Jan Wetzel, seien die Stunden der Regierung. In einzelnen Gesellschaftsbereichen hingegen beobachtet Jan Wetzel durchaus ein erstarktes Misstrauen. Gerade Querdenker und Impfgegnerinnen erlebten in der Pandemie einen subjektiven Kontrollverlust.
Glauben misstrauische Menschen häufiger an Verschwörungstheorien?
In ihren Untersuchungen zeigt sich, dass Menschen, die anderen und der Gesellschaft eher misstrauen, auch eher an Verschwörungstheorien glauben, so Isabel Thielmann. Die Persönlichkeitspsychologin vom Max-Planck-Institut Freiburg untersucht in ihrer aktuellen Forschung den Zusammenhang zwischen dem Glauben an Verschwörungstheorien und Populismus.
Wer vertrauen kann, geht leichter durchs Leben
Vertrauen ist ein tiefsitzendes, menschliches Bedürfnis. Misstrauen mag zwar manchmal angebracht sein, doch wer vertraut und vor allem neu vertrauen kann, geht leichter durchs Leben, darin sind sich die Fachleute aus der Psychologie einig. Ob im Kleinen, Zwischenmenschlichen, oder in der ganzen Gesellschaft.