Weihnachtsbräuche

Knecht Ruprecht – Nachruf auf die schwarzen Pädagogen des Weihnachtsfests

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Autor/in
Hans-Volkmar Findeisen
Hans-Volkmar Findeisen
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Noch zu Zeiten der heutigen Großelterngeneration waren sie ein unschlagbares Team. Sankt Nikolaus belohnte die guten Kinder, Knecht Ruprecht und seine Helfershelfer verdroschen nach Kräften die Bösen. Aber im Zeitalter der Kinderrechte ist der Prügel schwingende Vollzugsbeamte heiliger Gewalt nahezu lautlos in der Versenkung verschwunden. Ein Nachruf.

Klammheimlich ist Ruprecht, der weihnachtliche "Prügelknabe", von der Bildfläche verschwunden. Heutige Kinder kennen als Zutaten zum Fest weder Panikattacken, noch Schläge oder Kettenrasseln. Und der Figur des Ruprechts begegnen sie allenfalls noch in Comicserien wie den "Simpsons". In der deutschen Version heißt dort der Hund Knecht Ruprecht.

In Süddeutschland hat die Figur des Knecht Ruprecht aber auch nie groß Karriere gemacht. Die freundlichen Helfer des Nikolaus hießen selten Ruprecht, sondern Pelzmärte, Klaus, Bigger, Schmutzli, Perchte, Krampus, Rupelz und so weiter. Sie alle stehen heute auf der tiefroten Liste aussterbender Arten. Rundherum alle dem Nikolaus zugeordneten Gruselgestalten entstammen dem geistlichen Theater des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, wie es insbesondere auch in den Klöstern gepflegt wurde. In allen steckt die Figur des Teufels, den der Heilige Nikolaus beherrschte und bei pädagogischem Bedarf von der Kette lassen konnte.

Good guy – bad guy

Jeder spielt seinen Part. Der Nikolaus macht den Guten. Er ist der Himmels- und schulamtliche Inspizient, der Speculator, wovon wohl auch das Weihnachtsgebäck Speculatius seinen Namen hat. Zum Schutzheiligen der Schüler avancierte Niko, seitdem im Mittelalter die wundersame Geschichte von den drei Scholaren in die Welt kam. Drei Schüler wurden auf dem Weg nach Athen von einem geldgierigen Wirt ermordet, der es auf ihr Schulgeld abgesehen hatte. Er zerlegte sie "nach Schweineart", wie es hieß, und legte sie in ein Pökelfass. Nikolaus aber erweckte die drei Jungs wieder zum Leben und rettete damit deren schulische Karriere. Good guy!

Bad guys: Nikolaus teuflische Diener bedienten sich in ihren erzieherischen Bemühungen bekanntermaßen etwas gröberer Mittel. Was nicht ausschloss, dass die diabolische Sturmtruppe sich gelegentlich von Nikolaus absonderte und ein Eigenleben zu führen begann. Die Obrigkeit reagierte mit Verboten auf das "Ausarten" des Brauchtums.

Über die Stränge schlagen

In den Verkleidungen der Nikolaushelfer steckten traditionell junge Männer. Sie nutzten die dramaturgischen Gestaltungsmöglichkeiten für ihre eigenen Zwecke, für die kleinen Freiheiten der Jugendkultur. Und das hieß: Sich an Mädchen ranzumachen oder die Jahrgangsgenossen durchs Dorf zu jagen, um sie grün und blau zu schlagen. Man schlug also über die Stränge. Nicht zufällig betonen die Ethnologen die große Nähe und Ähnlichkeit zwischen Nikolausbrauchtum, Fasching oder aktuell den Gruselclowns an Halloween.

Bigger und Rupelz zum Beispiel dienten als dunkles Gegengewicht zu den doppelten Santiklausen. Als strafbar galt es bei ihnen beispielsweise, Lernstoff Nummer eins, den Katechismus, nicht zu beherrschen, nicht zu beten oder die Betglocke zu missachten, die um 18 Uhr die Ausgangssperre für den Nachwuchs einläutete.

Ihr wisst, was Ihr zu machen habt

Bigger und Rupelz produzierten haufenweise Schicksale, die man heute bedenkenlos einer Traumatherapie anempfehlen würde. Und es gab schon manchen Ausspruch an der Haustür, wo es hieß: Geht nur rauf, ihr wisst, was ihr zu machen habt.

Doch seit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre haben sich die Zeiten geändert. Seitdem schätzte man mehr und mehr einen weich gespülten Zwerg als Nikolaus, den gütigen Coca-Cola-Opa, den Gabenbringer, der die Kinder unter Süßigkeiten- und Spielsachenbergen begräbt und die Tradition gleich mit. Außerdem wurde dem Treiben auch Rechtlich jede Grundlage entzogen: In den 1970er Jahren wurde auch das Züchtigungsrecht aus den Schulen verbannt. Nach der Jahrtausendwende verloren schließlich auch die Eltern das Privileg ihre Kinder zu verhauen. Kinder werden heute geschützt durch die UN-Kinderrechtskonvention, die sie behandelt wie Erwachsene.

Religiöse Lust auf Schmerz

Wie kaum eine andere Religion habe das Christentum eine besondere Lust auf Schmerz. Das betont der Stuttgarter Psychiater und Religionswissenschaftler Professor Peter Kaiser. Vor kurzem erschien sein Buch "Heilige Qual und die Lust am Schmerz", worin er einen großen Bogen schlägt von den christlichen Märtyrern der Antike bis hin zu den Spanking-Clubs der Gegenwart. Ob im Viktorianismus in England, im protestantischen Preußen oder im pietistischen Württemberg: nach der Reformation habe, so Kaiser, das Schlagen erst einmal die katholische Ablass- und Absolutionspraxis ersetzt.

Das Drohen, Strafen und Disziplinieren, womit Kinder früher für den Alltag in der Landwirtschaft, der Fabrik und für eine militärisch organisierte Gesellschaft zugerichtet wurden, ist heute jedoch sinnlos geworden. Aber wie erlebten Kinder und Erwachsene damals ihre Welt, eine Welt, die umstellt war von Schreckfiguren wie Knecht Ruprecht und Co., dem Struwwelpeter oder einem ursprünglich hoch aggressiven Pinocchio?

Kindheit als Terror

Schwarze Pädagogik pur: So lautete die Überzeugung der 68er-Generation. Das war das Ende von Ruprecht. Aber wo stehen wir heute, seitdem Knecht Ruprecht und Co. und übrigens auch die Idee vom bösen Kind aus der Welt verschwunden sind? Werden Kinder damit weniger verprügelt? Die Statistik verzeichnet kaum wesentliche Rückgänge. Körperliche Misshandlungen von Kindern gibt es nach wie vor - quer durch alle Schichten der Gesellschaft. Trotz des guten Vorsatzes, dass die Welt eine heile Welt sein soll.

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