Hans Volkmar Findeisen (27.3.1954 – 17.1.2021) war ein Bildungsjournalist. Aber ein ganz besonderer: Während sich andere an Schulpolitik und Bildungsreformen abarbeiten, stellte er pädagogische Fragen dort, wo sie zunächst niemand vermutet: „Was das Hand-Werk mit dem Kopf macht“ – „Der Schulhof als Spiegelbild der Gesellschaft“ – „Knecht Ruprecht & Co. – Nachruf auf die Schwarze Pädagogik des Weihnachtsfests“ oder „Schluss mit lustig: Der Abischerz" waren typische Findeisen-Themen für SWR2 Wissen oder SWR2 Leben.
Findeisen wurde 1954 in Kirchheim-Teck geboren. Seinen familiären Hintergrund umschrieb er knapp: Pietisten, Kommunisten, Pfarrer und Lehrer. Er studierte 1973 bis 1983 Evangelische Theologie, Philosophie und Geschichte in Tübingen, Marburg und Rom und promovierte 1983 in Vergleichender Religionswissenschaft.
Lernen am Fließband und in der Philosophie
Während des Studiums machte er nebenher ein Schweißer-Diplom, jobbte am Fließband, als Kammerjäger und im Gerüstbau. Philosophieren einerseits, die Dinge hautnah erleben andererseits – diese Verbindung sollte auch seine späteren Sendungen prägen: Lernen in all seinen Facetten.
Von 1984 bis 1991 war er Mitarbeiter des Oberbürgermeisters von Fellbach. Er absolvierte das Diplomstudium Journalistik in Hohenheim, bevor er als Freier Mitarbeiter beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart anfing.
Für seine vierteilige Hörfunkreihe “Das Eigene und das Fremde" (1999) wurde er mit dem renommierten CIVIS-Sonderpreis ausgezeichnet. Er schrieb für die ZEIT und die FAZ. Findeisen war ein eigenwilliger Kopf und ein freier Denker, der auch die Redakteurinnen und Redakteure seiner Sendungen gelegentlich herausforderte.
Bildung durch Beobachtung und Selbst-Erleben
Und er reiste viel. Seine Reportagen, ob aus Rumänien, Irak oder Norwegen, waren immer geprägt von ungewöhnlichen Beobachtungen und einem oft essayistischen Blickwinkel.
Er fuhr entlang der alten Reichsstraße 1 von Aachen nach Kaliningrad, war schon 2001 „unterwegs mit dem LKW auf der neuen Seidenstraße“, trampte „als Mitfahrer eine Woche quer durch die Nation“, erkundete die Nischen der Alltagskultur, den Baumarkt als „himmlisches Jerusalem“, verkaufte als Assistent eines Eismannes Tiefkühlkost, lernte Trockenmauern bauen, untersuchte die biochemischen Massenvernichtungswaffen in den Händen der Kleingärtner („Schneckentod im Morgenrot“), arbeitete mit psychisch Kranken – und dokumentierte als dies in Reportagen.
Vom Journalisten zum Institutsgründer
Spuren hat er vor allem in seiner Geburtsstadt Kirchheim/Teck hinterlassen, wo er mit seiner Frau im Jahr 2000 die Gründung des Instituts für interkulturelle und interdisziplinäre Kommunikation initiierte. Es bietet ein dreijähriges "Studium generale", um die Verständigung zwischen den Kulturen zu fördern. Das eigene Denken reflektieren – auch und gerade das Denken über Bildung – war der rote Faden, der sich durch Findeisens Werk zieht.