New Deal sollte 1933 die Große Depression beenden
Franklin D. Roosevelt wird am 4. März 1933 zum 32. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt – wenige Wochen, nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war. Die USA befinden sich in einer Zeit, in der die verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise schwer zu spüren sind: Seit dem Börsencrash von 1929 herrschen Arbeitslosigkeit, Armut und Verzweiflung.
Roosevelt geht entschieden vor. Unmittelbar nach seiner Vereidigung stößt er ein Wirtschafts- und Sozialprogramm an, das es in vergleichbarer Dimension zuvor nicht gegeben hatte: den New Deal. Um die Produktion anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu dämpfen, investiert der Staat Milliarden in die Infrastruktur und öffentliche Projekte. Am Ende entstehen 1 Million Kilometer Straßen, 124.000 neue Brücken werden errichtet, das Wasser- und Stromnetz ausgebaut, zehntausende öffentliche Parks, Spiel- und Sportplätze für die US-Bevölkerung angelegt. Die amerikanische Kaufkraft soll wieder erstarken, die Mittelschicht sich erholen. Vor allem aber soll das Land wieder Hoffnung schöpfen.
Inwieweit der New Deal tatsächlich zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen hat, ist bis heute umstritten. Zwar wuchs das US-Bruttosozialprodukt zwischen 1933 und 1937 um 43 Prozent, doch die Arbeitslosenrate blieb stets über 15 Prozent. Erst der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg beendete die Große Depression. Die massiven Ausgaben für das Militär und die Kriegsmobilisierung führten schließlich zur Vollbeschäftigung.
Franklin D. Roosevelt: Präsident der vernachlässigten Schichten
Wer war dieser Präsident, der die USA mit seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik so nachhaltig reformierte? Franklin Delano Roosevelt wird am 30. Januar 1882 in eine der ältesten und wohlhabendsten Familien der USA hineingeboren. Er wächst in privilegierten Verhältnissen auf, geht auf teure Schulen und bewegt sich in ausgewählten Kreisen.
1921, im Alter von 39 Jahren, erkrankt Roosevelt jedoch an Polio. Wegen dieser Poliomyelitis, auch Kinderlähmung genannt, kann er seine Beine nicht mehr bewegen, sodass er für den Rest seines Lebens auf fremde Hilfe und einen Rollstuhl angewiesen ist.
Dieses Gefühl, dem Schicksal komplett ausgeliefert zu sein, prägte seine Präsidentschaft entscheidend, so der Roosevelt-Biograf Henry William Brands. Roosevelt habe den Verlust und die Ohnmacht aller Schichten während der Großen Depression nachempfinden können. Das habe die Öffentlichkeit gespürt und die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger Vertrauen zu ihrem Präsidenten fassen lassen. Dieses Vertrauen, beschreibt Brands, sei für die Umsetzung seines gewagten New Deals entscheidend gewesen.
Joe Biden kündigt 2020 ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm an
Spätestens nach seinem Interview auf CNN am 3. Dezember 2020 zeichnet sich ab, dass Joe Biden dem New Deal nacheifern will. Auch er will mithilfe eines umfassenden Infrastrukturplans die amerikanische Wirtschaft reformieren und stärken. Die Arbeitslosigkeit soll gesenkt, die Infrastruktur umfassend überholt und ausgebaut werden. Der neu gewählte Präsident will sein Land zukunftsfähig machen, bis 2050 zudem auch klimaneutral.
Doch lässt sich die gegenwärtige Lage der USA kaum mit der zu Beginn der 1930er vergleichen. Nicht nur große wirtschaftliche Umbrüche stehen an, die Vereinigten Staaten befinden sich mitten in einer gesellschaftlichen Krise. Insbesondere seit der Corona-Pandemie: Massenweise wurden Menschen entlassen, die Mittelklasse verarmt zunehmend, immer mehr leben am Existenzminimum und wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Hinzu kommen die inzwischen deutlich spürbaren Herausforderungen des Klimawandels.
So sehr er seinem berühmten Amtsvorgänger nachzueifern versucht, im Vergleich zu Roosevelt wird Joe Biden es deutlich schwerer haben. Während Roosevelt sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus politische Rückendeckung hatte, fehlen Biden die Mehrheiten. Auch bezüglich seiner wirtschaftspolitischen Visionen erfährt der Präsident deutlichen Gegenwind – zu hohe Staatsschulden, zu viel Wohlfahrtsstaat, so stellt sich der Großteil der Republikaner vehement gegen Bidens Pläne. Nachdem sich Joe Biden mit den Republikanern einigen konnte, schrumpfte das von ihm angekündigte Budget von ursprünglich 2,3 Billionen Dollar auf 950 Milliarden US-Dollar zusammen.
Franklin D. Roosevelt – tatsächlich ein Vorbild für Joe Biden?
Wenngleich Joe Bidens ambitioniertes Vorhaben zunächst ausgebremst scheint: Indem er sich weiterhin an der progressiver Programmatik Franklin D. Roosevelts orientiert, kann er dazu beitragen, die USA aus ihrer wirtschaftlichen und sozialen Krise zu befreien. Das allerdings vermag ein milliardenschweres Ausgabenpaket allein nicht zu leisten – es geht in erster Linie um Vertrauen. Und hierfür braucht Biden Mut, Konfliktbereitschaft, vor allem aber Einfühlungsvermögen, so wie es Franklin Delano Roosevelt allen Amerikanerinnen und Amerikanern entgegengebracht hat.