Die neue Atomtechnik kommt in den 1950er-Jahren wie gerufen: Die Kohlevorkommen in Deutschland drohen knapp zu werden für den steigenden Energiebedarf der Bevölkerung. Die Uranvorkommen dagegen versprechen eine zusätzliche Energiequelle.
Angewandte Atomforschung in der Bundesrepublik noch nicht erlaubt
Auch Nobelpreisträger Werner Heisenberg wirbt dafür, sie zu nutzen. So auch in diesem Interview mit dem Journalisten Hans Jesse. Zu diesem Zeitpunkt ist die angewandte Atomforschung allerdings noch durch die Alliierten verboten.
Medien-Fantasien: Atomkocher, Atomautos, Atom-Staubsauger
Die Frage nach kernkraftgetriebenen Autos und dem "Atomkocher für die Hausfrau" klang damals keineswegs nicht so absurd wie heute. Solche Fantasien waren durchaus geläufig:
"Kernkraftgetriebene Staubsauger werden vermutlich innerhalb der nächsten zehn Jahre Wirklichkeit werden", prognostizierte noch 1955 der US-amerikanische Erfinder und Staubsaugerhersteller Alex Lewyt.
Werner Heisenberg verweist im Interview solche Vorstellungen allerdings ins Reich der Utopie.
Hintergrund und Einordnung der Archivaufnahmen
Epoche der Kernenergie in Originalaufnahmen
August 1945 "We don't mind about 100.000 Japs": Otto Hahn irritiert über Reaktion eines Engländers auf Hiroshima
August 1945 | Der Chemiker Otto Hahn erfährt vom Atombombenabwurf in Hiroshima als Gefangener in einem britischen Internierungslager. Dort saß er zusammen mit anderen hochrangigen deutschen Naturwissenschaftlern wie Carl Friedrich von Weizsäcker. Später erinnert er sich an diesen Moment im August 1945.
9.8.1945 / 1959 Atombombe auf Nagasaki – Fliegeroberst Cheshire erinnert sich
9.8.1945 / 1959 | Drei Tage nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima flogen drei US-Militärflugzeuge Richtung Nagasaki, morgens kurz nach vier Uhr. Eins der Flugzeuge trug eine weitere Bombe, die Plutoniumbombe "Fat Man". Ein zweites enthielt wissenschaftliche Instrumente. Das dritte war ein Begleitflugzeug mit weiteren Soldaten. Unter ihnen der englische Fliegeroberst Leonard Cheshire. Cheshire sprach auch Deutsch. Jahre später, 1959, erzählt er im Rahmen eines Radiofeatures mit dem Titel "Die Drohung" vom Einsatz über Nagasaki.
Die Bombe auf Nagasaki tötete 22.000 Menschen direkt, zehntausende starben innerhalb der nächsten Monate an den Folgen.
14.8.1947 Otto Hahn über die Entdeckung der Kernspaltung
14.8.1947 | Zuerst hatten die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann Zweifel an ihrer Entdeckung der Kernspaltung. Sie experimentierten 1938 mit Uran, dem schwersten in der Natur vorkommenden Element. Dass das Uran in zwei leichtere Atome zerfallen könnte, damit haben die Forscher nicht gerechnet – aber die Beobachtungen ließen keinen anderen Schluss zu. Hahn wurde für diese Entdeckung 1944 der Nobelpreis für Chemie zugesprochen – doch offiziell gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften dies erst nach dem Krieg 1945 bekannt. Sie wollte Hahn nicht in die Verlegenheit bringen, den Preis ablehnen zu müssen, wozu er unter der Nazidiktatur gezwungen gewesen wäre. Zwei Jahre später schildert Hahn dem Journalisten Jobst Klinkmüller, wie er zusammen mit Lise Meitner der Atomspaltung auf die Spur kam. | Kernenergie
20.8.1955 "Atom für den Frieden" – Genfer Konferenz propagiert friedliche Nutzung der Atomenergie
20.8.1955 | Dort, wo sonst der Genfer Automobilsalon stattfindet, treffen sich Fachleute 1955 zu einer Konferenz unter dem Motto „Atom für den Frieden“. Anstoß ist die Atomrede des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower "Atoms for Peace", in der er die Gründung einer internationalen Atomenergie-Organisation angeregt hat. Unter Federführung der Vereinten Nationen findet die Konferenz vom 8. bis zum 20. August 1955 statt. Südwestfunk-Reporter Ernst von Khuon zeigt sich von dem, was er hört, äußerst beeindruckt. Hier sein Abschlussbericht vom letzten Konferenztag. | Kernenergie
19.7.1956 In Karlsruhe entsteht erster Forschungsreaktor – Stimmung in der Stadt
19.7.1956 | 1956 ist entschieden: In Karlsruhe soll der erste atomare Forschungsreaktor der Bundesrepublik entstehen. Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg hatte sich für München stark gemacht, denn er ist mit seiner Forschungsgruppe aus Göttingen dorthin gezogen. Doch Kanzler Konrad Adenauer entscheidet zugunsten von Karlsruhe. Eine Rolle spielen dabei auch sicherheitspolitische Erwägungen. München liegt Adenauer zu nahe an der aus Moskau kontrollierten Tschechoslowakei. Zur Vertragsunterzeichnung schickt der Kanzler seinen Atomminister Franz Josef Strauß nach Karlsruhe. Wir hören zunächst den Bericht vom Festakt, anschließend eine Umfrage, die die Stimmung der Karlsruher widerspiegelt.
Die Bauarbeiten in Karlsruhe beginnen zunächst am Rhein bei Maxau. Doch nach einem Jahr ist klar: Das ist wegen der Hochwassergefährdung dann doch zu unsicher. Das Kernforschungszentrum entsteht schließlich weiter vom Fluss entfernt, bei Leopoldshafen. Der Reaktor geht wegen dieser und anderer Verzögerungen erst 1961 in Betrieb und wird deshalb nicht der erste Reaktor in der Bundesrepublik – das wird der in Garching, zu dessen Inbetriebnahme wir im SWR2 Archivradio eine eigene Aufnahme haben. Das Kernforschungszentrum Karlsruhe wird später in Forschungszentrum Karlsruhe umbenannt und fusioniert 2009 mit der Universität zum heutigen Karlsruhe Institute of Technology KIT. | Kernenergie
17.10.1956 Queen weiht erstes Atomkraftwerk des Westens in Calder Hall ein
17.10.1956 | 1956 geht im englischen Lake District das Kernkraftwerk Calder Hall ans Netz. Im Archiv des Südwestfunks ist die Aufnahme mit „Erstes Atomkraftwerk der Welt“ beschriftet, doch tatsächlich ging bereits vier Monate zuvor in der Sowjetunion bereits das Kernkraftwerk Obninsk in Betrieb. Bei der Kernenergie gab es also wie auch in der Raumfahrt einen technischen Wettlauf zwischen Ost und West. Vorreiter im Westen ist Großbritannien. Die junge Königin Elizabeth II höchstpersönlich ist dabei, als das Kraftwerk ans Netz geht. Deutschland ist vertreten durch Franz Josef Strauß, der zwar schon Verteidigungsminister ist. Seine Amtszeit als Atomminister sollte eigentlich schon zu Ende sein. Aber das Spektakel in England wollte er sich nicht entgehen lassen, deshalb hat er seine Ministerurkunde als Atomminister noch behalten, obwohl sein Nachfolger bereits im Amt ist. Diese Verwicklungen erklärt er recht vergnügt am Schluss des Beitrags selbst. Reporter ist der Wissenschaftskorrespondent des SWF Ernst von Khuon. | Kernenergie