Nach einer dramatischen Nacht mit Geiselbefreiung, dem Tod von Terroristen und einem weiterhin entführten Arbeitgeberpräsidenten zieht diese Sendung eine ausführliche Zwischenbilanz.
Live-Sendung startet schon während der Nachrichten
Der Mitschnitt dieser Live-Sendung vom Tag des Endes des Geiseldramas und der Selbstmorde in Stammheim beginnt mitten in den 17-Uhr-Südwestfunk-Nachrichten mit Wetterbericht und geht dann in eine einstündige Dokumentation über. Diese besteht aus 13 Elementen, die von Ursula Schaffeld und Bernhard Hermann moderiert werden.
In den Nachrichten wird CSU-Chef Franz Joseph Strauß mit der Aussage zitiert, die Stammheimer Selbstmorde könnten nicht ohne Folgen bleiben. In Prag wurden vier Systemkritiker zu Haftstrafen bis zu drei Jahren verurteilt, u.a. [Václav] Havel.
Zu Beginn der Dokumentation stellt Moderator Bernhard Hermann fest. "Es jagen sich jetzt noch die Meldungen. Telefone und Fernschreiber stehen nicht still. Viel zu viele Fragen sind noch offen."
Die 13 Blöcke der Dokumentation
- Überblick über die Ereignisse des Vortages mit Ausschnitten aus der Pressekonferenz von Regierungssprecher Klaus Bölling nachts um 1.45 Uhr
- Rückblick auf die Entführung der "Landshut"
- Gespräche des Verteidigungsministers von Dubai mit den Insassen der „Landshut“
- Chronologie der Ereignisse, Lagebericht aus Bonn, Information über die GSG9
- Selbstmord der inhaftierten RAF-Mitglieder in Stammheim. Im O-Ton ein Pressesprecher des Justizministeriums in Stuttgart, der Stammheimer Anstaltsarzt Dr. Henk vor den Toren der Haftanstalt („Ich habe nur Baader am Boden gesehen… Herr Raspe ist tot … Ob das Mundschüsse oder Kopfschüsse sind, kann ich nicht sagen ... Frau Ensslin hing am Fenster.“), Generalstaatsanwalt Schüle.
- Ankunft der „Landshut“-Geiseln in Frankfurt
- Gespräch mit den befreiten Geiseln, Meldungen über die Ermordung des Piloten Schumann
- Statement aus der Pressekonferenz von Innenminister Maihofer Werner Maihofer zur Geiselbefreiung
- Bericht vom Einsatz der GSG9-Truppe
- Meldungen über das ungeklärte Schicksal von Schleyer, Pressekonferenz des Baden-Württembergischen Justizministers Traugott Bender zu den Ereignissen in Stammheim
- Kommentar zum Selbstmord der RAF-Mitglieder in Stammheim
- Weg der ersten RAF-Generation
- Entwicklung in Stammheim
Die Dokumentation endet vor den Toren Stuttgart-Stammheims. Dort hätten sich, so der Reporter live, bis zu 200 Menschen versammelt, darunter 50 Journalisten. Die Zufahrt zum Gelände sei abgesperrt worden. Zusätzlich sei von der Polizei eine zweite Sperre im Ort Stammheim errichtet worden, mit der Begründung, der Parkplatz vor der Vollzugsanstalt sei völlig überfüllt. Der Reporter streitet das ab. Die Fahrzeuge, die in die Anstalt in den letzten Stunden hineinfuhren, seien "besonders sorgfältig kontrolliert" worden. Vor Kurzem kamen 25 bis 30 Polizisten zu Pferd an, vermutlich für den Fall einer Demonstration von Sympathisanten der toten RAF-Mitglieder. Dazu werde es aber nicht mehr kommen. Es werde schon dunkel.
Aus der Archivdatenbank
(O-Ton) Pressemitteilung des Justizministeriums in Stuttgart zu den RAF-Selbstmorden in Stammheim / (O-Ton) Henk (Anstaltsarzt Stammheim) / (O-Ton) Schüle (Generalstaatsanwalt) zum ersten Augenschein hinsichtlich der Selbstmorde / (O-Ton) ARD-FS zur Ankunft der befreiten Geiseln in Frankfurt / (O-Ton) Werner Maihofer, Innenminister (PK) zur Geiselbefreiung / (O-Ton) Traugott Bender, Justizminister (PK)
1.6.1972 Verhaftung der RAF-Mitglieder Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe
1.6.1972 | Hunderte Schüsse sollen gefallen sein, als am 1. Juni 1972 die Polizei im Frankfurter Nordend drei Mitglieder aus dem harten Kern der "Roten Armee Fraktion" festnahm: Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe. In den Wochen zuvor hatte die Terrorgruppe eine Reihe von Anschlägen verübt.
Baader saß 1970 schon einmal im Gefängnis, war aber mithilfe der Journalistin Ulrike Meinhof befreit worden und hielt sich seitdem im Untergrund auf bzw. zusammen mit anderen Angehörigen der Terrorgruppe in Jordanien, wo sie wiederum bei palästinensischen Terroristen Waffentraining bekamen. Zurück in der Bundesrepublik verüben sie 1972 zahlreiche Bombenanschläge – auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Frankfurt und Heidelberg, auf Polizeistationen, auf die Zentrale des Axel-Springer-Verlags in Hamburg.
Welche Bedeutung die Festnahme von Baader, Meins und Raspe hat, zeigt sich auch darin, wie ausführlich die Nachrichten des Südwestfunks und die unmittelbar anschließende Sondersendung darauf eingehen. Sie unterstützen auch die weiteren Fahndungsaufrufe der Polizei.
19.6.1972 Bundesanwaltschaft zur Verhaftung von Ulrike Meinhof
19.6.1972 | Ulrike Meinhof wurde heute verhaftet. Die Staatsanwaltschaft grübelt über einem verschlüsselten Brief von Gudrun Ensslin an Ulrike Meinhof. | RAF
11. bis 15.11.1974 RAF-Terrorist Holger Meins stirbt im Gefängnis – Kritik an Ärzten
11. bis 15.11.1974 | Der RAF-Terrorist Holger Meins stirbt am 9. November 1974 als Folge seines Hungerstreiks im Gefängnis im rheinland-pfälzischen Wittlich. Als Reaktion darauf ermordet die sogenannte "Bewegung 2. Juni" den Präsidenten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann. Bis heute konnten die Täter nicht ermittelt werden. Beide Ereignisse werfen Fragen auf. Vor allem auch in Stuttgart, wo der Prozess gegen die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Carmen Roll bevorsteht, die sich dort im Gefängnis Stammheim befinden.
16.12.1974 Bundespräsident Heinemann schreibt Ulrike Meinhof einen Brief
16.12.1974 | Bundespräsident Gustav Heinemann, der Meinhof von früher kennt, appelliert an die inhaftierte RAF-Terroristin, ihren Hungerstreik zu beenden.
Die Öffentlichkeit erfährt von diesem Brief erst fünf Tage später – im folgenden Bericht vom 16. Dezember 1974 wird der Brief vorgelesen, vorher ist noch der Schriftsteller Heinrich Böll zu hören, der von einem Wahnsinn spricht, der in Deutschland vor sich gehe und den politischen Umgang mit der RAF kritisiert.
Der Brief des Bundespräsidenten an Ulrike Meinhof, die er kennt, seit er sie einmal als Anwalt in einem Beleidigungsverfahren verteidigt hat, wird von einem Rundfunksprecher verlesen. Er beginnt mit "Sehr geehrte Frau Meinhof" und geht dann auf den Hungerstreik ein. "Sie kommen an die Grenzen Ihres Lebens."
Selbstopferung hält Heinemann für einen Irrtum. Ulrike Meinhof erschwere damit die Arbeit anderer, die sich um Besserung der Verhältnisse bemühen. Heinemann meint, er habe ihren Weg mit Aufmerksamkeit verfolgt und schließt mit den Worten: "Bitte nehmen Sie sich die Freiheit und beenden den Hungerstreik."
3.3.1975 Entführung von Peter Lorenz
3.3.1975 | Peter Lorenz, Spitzenkandidat der CDU für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin, war von Mitgliedern der RAF entführt worden. Die "Bewegung 2. Juni" forderte die Freilassung von RAF-Häftlingen. Alle vier Partien kamen binnen weniger Tage zum Konsens, darauf einzugehen. Der Name der "Bewegung 2. Juni" bezieht sich auf das Datum des Todes von von Benno Ohnesorg. Er war am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration in West-Berlin von einem Polizisten erschossen worden. | RAF
24.4.1975 Geiselnahme: Überfall auf deutsche Botschaft in Stockholm
24.4.1975 | Die fast eineinhalbstündige Livesendung beginnt 14 Stunden nach Beginn der Geiselnahme, als sich die Lage in Stockholm zuspitzt, und endet mit der Bergung der Geiseln und einer schwächer brennenden Botschaft, aus der heraus noch geschossen wird. Wesentliche Elemente werden durch ein Live-Telefongespräch mit dem Reporter vor Ort geliefert. | RAF
21.5.1975 Der Baader-Meinhof-Prozess beginnt in Stuttgart-Stammheim
21.5.1975 | Stuttgart-Stammheim. Beginn des Prozesses gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe.
Sicherheitskontrollen wie noch nie bei einem bundesdeutschen Gerichtsverfahren. Ansonsten: Eine Angeklagte, die im Gerichtssaal raucht. Drei Rechtsanwälte, darunter Hans-Christian Ströbele, die durch einen Trick ihrem Gerichtsausschluss entgehen wollten. Und im Luftraum über Stammheim taucht auch noch ein verdächtiges Sportflugzeug auf.
Das war der Stand der Dinge in der Mittagsausgabe von SDR1 Aktuell. Am Nachmittag gab es schon eine Weiterentwicklung – dann war auch klar, was es mit dem Sportflugzeug auf sich hatte.
28.10.1975 Stammheim-Prozess: Jan-Carl Raspe zu den Haftbedingungen
28.10.1975 | Der Angeklagte Jan-Carl Raspe kritisiert während der Verhandlung am 28. Oktober 1975 die Isolationshaft. | RAF
4.5.1976 Baader kritisiert Stammheim-Prozess, Schily fordert Nixon als Zeuge
4.5.1976 | Der Stuttgarter Stammheim-Prozess gegen die Mitglieder der RAF zieht sich hin. Der Angeklagte Andreas Baader wirft dem Gericht vor, dass der Prozess aus wahlkampftaktischen Gründen künstlich in die Länge gezogen werde. Baader sieht das Gerichtsverfahren letztlich als Spiegelbild der globalen Machtverhältnisse.
10.5.1976 Neue Erkenntnisse nach dem Tod von Ulrike Meinhof
10.5.1976 | Einen Tag nach dem Tod von Ulrike Meinhof gibt es Streit über die Obduktion und die Informationspolitik der Justizbehörde. In Frankfurt finden gewalttätige Sympathiekundgebungen statt. | RAF
10.1.1977 Otto Schily erhebt Beschwerde gegen Haftbedingungen für RAF-Mitglieder
10.1.1977 | Otto Schily, Verteidiger von Gudrun Ensslin, erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bundesrichter Albrecht Mayer. Begründung: Verdacht auf geheime Absprachen zwischen den Richtern sowie Weitergabe von Prozessakten an Journalisten. Noch am selben Tag wird Albrecht Mayer versetzt. | RAF
6.9.1977 Attentat auf Hanns Martin Schleyer: Augenzeugenbericht
6.9.1977 | Ein Augenzeuge schildert die Ereignisse nach dem Anschlag auf den Arbeitgeberpräsidenten: Böllerschüsse, Pulvergeruch und fürchterliche Schreie. | RAF