24.4.1975

Geiselnahme: Überfall auf deutsche Botschaft in Stockholm

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Autor/in
SWR2 Archivradio

Die fast eineinhalbstündige Livesendung beginnt 14 Stunden nach Beginn der Geiselnahme, als sich die Lage in Stockholm zuspitzt, und endet mit der Bergung der Geiseln und einer schwächer brennenden Botschaft, aus der heraus noch geschossen wird. Wesentliche Elemente werden durch ein Live-Telefongespräch mit dem Reporter vor Ort geliefert.

Um 16.17 Uhr unterbricht SWF1 das normale Programm. Die Nachrichten, so der Moderator, hätten sich in den letzten fünf bis zehn Minuten überstürzt. Das Kommando Holger Meins habe am Nachmittag seine Forderungen mitgeteilt. Diese würden nun wunschgemäß "über Rundfunk und Fernsehen ungekürzt verbreitet" (unten im Wortlaut). Während der Live-Sendung sprechen die "Südwestfunk-Nachrichten" von "Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande", die die Deutsche Botschaft in Stockholm besetzt hätte.

Erklärung des "Kommandos Holger Meins" vom 24. April 1975

An die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und des Königreichs Schweden

"Am 24.4.1975 um 1.50 Uhr haben wir die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm besetzt und 12 Botschaftsangehörige, darunter Botschafter Dieter Stoecker, Militärattaché Andreas von Mirbach, Wirtschaftsreferent Heinz Hillegaart und Kulturreferent Anno Eifgen, gefangengenommen, um 26 politische Gefangene in der Bundesrepublik Deutschland zu befreien. Es sind:

  • Gudrun Ensslin, Stuttgart
  • Andreas Baader, Stuttgart
  • Ulrike Meinhof, Stuttgart
  • Jan Raspe, Stuttgart
  • Carmen Roll, Stuttgart
  • Werner Hoppe, Hamburg
  • Helmut Pohl, Hamburg
  • Wolfgang Beer, Hamburg
  • Eberhard Becker, Hamburg
  • Manfred Grashof, Zweibrücken
  • Klaus Jünschke, Zweibrücken
  • Wolfgang Quante, Bremen
  • Ronald Augustin, Bückeburg
  • Ali Jansen, Berlin
  • Brigitte Mohnhaupt, Berlin
  • Bernhard Braun, Berlin
  • Ingrid Schubert, Berlin
  • Annerose Reiche, Berlin
  • Ilse Stachowiak, Hamburg
  • Irmgard Möller, Hamburg
  • Sigurd Debus, Hamburg
  • Christa Eckes, Hamburg
  • Wolfgang Stahl, Hamburg
  • Margit Schiller, Lübeck
  • Monika Berberich, Berlin
  • Johannes Weinrich, Karlsruhe

Innerhalb von 6 Stunden, bis 21 Uhr, werden die gefangenen Genossen auf dem Rhein-Main-Flughafen Frankfurt zusammengebracht. Sie können dort ohne Kontrolle miteinander und mit ihren Anwälten sprechen. Sie haben die Möglichkeit, sich über Funk und Fernsehen über den Ablauf zu informieren.

Wird eine Verbindung zwischen uns und den Gefangenen über Telefon, später über Funk hergestellt. Sie wird bis zu ihrer Landung in dem Land, das sie aufnimmt, aufrechterhalten.

Wird eine Boeing 707 der Lufthansa, aufgetankt, mit 3 Mann Besatzung, auf dem Rhein-Main-Flughafen bereitgehalten.

Innerhalb von 10 Stunden bis 1 Uhr werden die Gefangenen aus der BRD ausgeflogen, sie werden nur vom Botschafter des Königreichs Schweden in der BRD, Backlund, und einem ihrer Anwälte begleitet. Das Ziel werden wir ihnen während des Flugs mitteilen.

Überlässt die Bundesregierung jedem der Gefangenen 20.000 Dollar.

Diese Erklärung von uns, Erklärungen von den Gefangenen oder ihren Anwälten werden sofort an die internationalen Nachrichtenagenturen weitergegeben und in der BRD. Während des ganzen Ablaufs der Aktion muss die Regierung ihre Entscheidungen über die Massenmedien öffentlich machen. Der Abflug der Genossen wird vom BRD-Fernsehen und vom schwedischen Fernsehen direkt übertragen.

Wir werden über unsere Forderungen nicht verhandeln und die Fristen, zu denen sie zu erfüllen sind, nicht verlängern. Versucht die Bundesrepublik die Freilassung der Gefangenen zu verzögern, werden wir zu jeder vollen Stunde, die das 1. und oder 2. Ultimatum überschritten wird, einen Beamten des Auswärtigen Amtes der BRD erschießen. Der Versuch, die Botschaft zu stürmen, bedeutet den Tod aller im Haus. Bei einem Angriff werden wir in den Räumen der Botschaft 15 kg TNT zur Explosion bringen.

Nach ihrer Landung werden uns die befreiten Genossen über Funk bestätigen, daß sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben. Wir werden dann einen Teil der Botschaftsangehörigen freilassen und den Ablauf unseres Abzuges bekanntgeben.

Wir werden Menschen sein – Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf!

Die Verantwortung für die Erschießung des Militärattachés Andreas von Mirbach trägt die Polizei, trotz verlängertem Ultimatum hat sie das Botschaftsgebäude nicht verlassen!

Kommando Holger Meins."

Sendung: Der Überfall auf die Deutsche Botschaft in Stockholm, Südfunk aktuell
Moderator: Hanns-Erich Sprittulla, Peter Wien
Reporter: Peter Reichel, Jan Sprecher

RAF und Deutscher Herbst

1.6.1972 Verhaftung der RAF-Mitglieder Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe

1.6.1972 | Hunderte Schüsse sollen gefallen sein, als am 1. Juni 1972 die Polizei im Frankfurter Nordend drei Mitglieder aus dem harten Kern der "Roten Armee Fraktion" festnahm: Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe. In den Wochen zuvor hatte die Terrorgruppe eine Reihe von Anschlägen verübt.
Baader saß 1970 schon einmal im Gefängnis, war aber mithilfe der Journalistin Ulrike Meinhof befreit worden und hielt sich seitdem im Untergrund auf bzw. zusammen mit anderen Angehörigen der Terrorgruppe in Jordanien, wo sie wiederum bei palästinensischen Terroristen Waffentraining bekamen. Zurück in der Bundesrepublik verüben sie 1972 zahlreiche Bombenanschläge – auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Frankfurt und Heidelberg, auf Polizeistationen, auf die Zentrale des Axel-Springer-Verlags in Hamburg.
Welche Bedeutung die Festnahme von Baader, Meins und Raspe hat, zeigt sich auch darin, wie ausführlich die Nachrichten des Südwestfunks und die unmittelbar anschließende Sondersendung darauf eingehen. Sie unterstützen auch die weiteren Fahndungsaufrufe der Polizei.

19.6.1972 Bundesanwaltschaft zur Verhaftung von Ulrike Meinhof

19.6.1972 | Ulrike Meinhof wurde heute verhaftet. Die Staatsanwaltschaft grübelt über einem verschlüsselten Brief von Gudrun Ensslin an Ulrike Meinhof. | RAF

4.5.1976 Baader kritisiert Stammheim-Prozess, Schily fordert Nixon als Zeuge

4.5.1976 | Der Stuttgarter Stammheim-Prozess gegen die Mitglieder der RAF zieht sich hin. Der Angeklagte Andreas Baader wirft dem Gericht vor, dass der Prozess aus wahlkampftaktischen Gründen künstlich in die Länge gezogen werde. Baader sieht das Gerichtsverfahren letztlich als Spiegelbild der globalen Machtverhältnisse.

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