Die Situation
Farbenhersteller haben Blei, Kadmium und Quecksilber hinterlassen. Galvanikbetriebe haben Metalle mit chlorierten Lösungsmitteln gereinigt, chemische Reinigungen Textilien mit den gleichen Stoffen. Bei Raffinerien, Autowerkstätten und Tankstellen versickerten Öle und Benzin.
19.000 Altlastenflächen sind in Deutschland bekannt, zehn Mal so viele Flächen stehen im Verdacht verseucht zu sein. Vielerorts spiegelt der Boden die frühere Industriegeschichte. Das gilt auch für zahlreiche Mülldeponien. Auf die wurde früher einfach alles geworfen, was die Menschen nicht mehr gebraucht haben.
Sanieren oder sichern?
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Altlasten umzugehen. Bei einer Sanierung werden die Chemikalien entfernt und beseitigt. Bei der Sicherung bleiben sie, wo sie sind, aber dann muss man dafür sorgen, dass sie Umwelt und Menschen nicht gefährden.
Welche der beiden Optionen die Fachleute wählen, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Um welche Schadstoffe geht es?
- Wie gefährlich sind sie?
- Bleiben sie im Boden oder verdampfen sie?
- Wie ist der Untergrund beschaffen: Können sich die Chemikalien ausbreiten, zum Beispiel ins Grundwasser oder in einen Fluss?
- Und: Wie soll das Gelände zukünftig genutzt werden?
Unter einem Parkplatz, einer Photovoltaik-Anlage oder einem Park kann man eine Altlast manchmal tolerieren, unter einem Kinderspielplatz aber nicht. Genauso wenig dort, wo Menschen später wohnen oder arbeiten sollen.
Grundwasser in Stuttgart-Feuerbach muss gefiltert werden
Ein Beispiel für eine Sanierung ist in Stuttgart zu sehen: Schon bald werden Wohnungen und Gewerberäume direkt am Bahnhof Stuttgart-Feuerbach zur Verfügung stehen, wo bis 2004 ein großer Galvanikbetrieb stand. Er hat Boden und Grundwasser mit großen Mengen chlorierter Lösungsmittel und Chromat verseucht. Inzwischen hat die Stadt Stuttgart rund 125.000 Tonnen Boden ausgetauscht, das sind rund 5.000 Lkw-Fuhren. Das Grundwasser wird weiterhin gefiltert, und das wird noch lange Zeit so bleiben.
Bei einer Sicherung kann der Boden einfach bleiben, wo er ist, und vor Ort entgiftet werden. Solche Verfahren werden immer wichtiger, denn Deponien nehmen heute nicht mehr jede Altlast an. Außerdem versuchen die Experten umfangreiche Transporte zu vermeiden. Inzwischen wird fast jeder dritte Schaden direkt vor Ort behandelt. Es gibt mehrere Methoden dafür. Eine davon nutzt Bakterien, die Schadstoffe abbauen.
Ein Altlastenstandort kann ein Paradies für spezialisierte Bakterien sein. Im Idealfall bauen sie die Chemikalien zu ungiftigen Stoffen ab - zum Beispiel zu Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser. Es gibt nur zwei Probleme: Oft haften die Schadstoffe sehr fest an Tonschichten oder Erdbestandteilen im Boden. Die Bakterien kommen da sozusagen nicht dran. Dann kann man nachhelfen und zum Beispiel den pH-Wert des Bodens, also den Säuregrad, so verändern, dass die Substanzen nicht mehr so fest gebunden sind. Außerdem sind die meisten Schadstoffe Verbindungen, die vor allem Kohlenstoff enthalten. Der genügt den Bakterien aber nicht als Nahrung.
Die Schadstoffe müssen für Bakterien schmackhaft gemacht werden
Wenn mit Phosphor und Stickstoff gedüngt wird, macht das die Schadstoffe schmackhaft für die Bakterien. Dann können sie sich vermehren und ihn abbauen. Es ist erstaunlich, was die Einzeller alles vertilgen. Verschiedene Forscherinnenteams haben sogar etliche Bakterienstämme gefunden, die Arsen aufnehmen. Arsen wurde früher als Rattengift verwendet, es sollte Weinstöcke und auch Bauholz vor Schädlingen schützen. Die Bakterien wandeln das giftige Schwermetall in eine weniger giftige Form um, die sie in ihre Zellen einlagern. Für die Altlastensanierung werden sie allerdings noch nicht genutzt.
In einigen Fällen behandeln die Experten die Chemikalien im Untergrund sogar mit Chemie. Das war etwa bei einem Pilotprojekt auf einem ehemaligen Güterbahnhof in Leinfelden bei Stuttgart so, wo Lösungsmittelreste den Boden verunreinigen. Im Jahr 2019 haben Expertinnen auf einem Teil der Fläche Kaliumpermanganat eingepresst, das die Lösungsmittel mit der Zeit oxidiert, also still verbrennt - zu Kohlendioxid und Wasser. Hier war es nicht möglich, den Boden auszuheben oder die Schadstoffe an die Oberfläche zu pumpen. Denn diese Fläche ist mit einer Straße bebaut, darunter verlaufen ein Kanal und diverse Leitungen.
Ein aufwändiges Projekt: Wenn im Untergrund eine chemische Reaktion abläuft, kann es sein, dass sich der Boden neigt. Sensoren mussten installiert werden, die Gebäude wurden zuvor akribisch begutachtet, zur Beweissicherung. Teilweise war das Projekt in Leinfelden erfolgreich. Aber es war eben ein Pilotprojekt.
Alte Betriebe können oft nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden
Und noch etwas spielt bei der Auswahl des Sanierungsverfahrens eine Rolle: Wie hoch ist der finanzielle Aufwand, die Altlast zu beseitigen? Die Kosten trägt nämlich der Grundstückseigentümer. Die zuständigen Behörden, meist die Landratsämter oder Kommunen, können eine Sanierung anordnen. Das passiert immer, wenn die Altlast unmittelbar Menschen oder die Umwelt gefährdet.
Oft ist das aber nicht so: Zum Beispiel wird Öl im Untergrund nicht immer beseitigt, solange nichts davon ins Grundwasser gelangen kann. Wenn aber auf dieser Fläche gebaut werden soll, sieht es anders aus. Und dann hilft alles nichts: Wem das Grundstück gehört, der oder die muss zahlen - für die Untersuchungen, die nötig sind, und für die Sanierung selbst. Wie viel, das kommt ganz darauf an, wie aufwändig die Maßnahme ist.
Oft ist es zwecklos, dass die Besitzer die benötigte Summe vom Betrieb fordert, der den Schaden verursacht hat. Die meisten alten Firmen existieren nicht mehr. Privatleute müssen deshalb höchstens so viel bezahlen, wie das Grundstück selbst wert ist. Den Rest tragen die Steuerzahler. Für Kommunen gibt es in manchen Bundesländern einen Fonds, der einen Teil der Kosten übernimmt. Wenn aber ein Unternehmen das Grundstück besitzt, zahlt es die Beseitigung der Altlast in voller Höhe.