Emojis

Zum Tag der deutschen Sprache

Zwinker, Zwonker: Brauchen wir ein Emoji-Lexikon?

Stand
Autor/in
Tobias Stosiek

Lachen, Weinen, Herzen: Emojis versteht jeder. Oder? Eine neue Studie kommt zu einem anderen Ergebnis. Schon ein simples Smiley kann auf kommunikatives Glatteis führen.

Emojis im Duden? „Ich bin dafür“, stellt Tatjana Scheffler trocken fest. Seit Jahren beschäftigt sich die Bochumer Linguistin mit den bunten Zeichenwesen, die aus unseren Nachrichten und Chats nicht mehr wegzudenken sind. Ungefähr dreitausend davon gibt es. Die Zusammenstellung ist ziemlich: erratisch.

Vom einfachen Lachsmiley 😆 über Hummer 🦞 und Hammer 🔨 bis hin zu Flaggen 🏳️‍🌈, Katzen 🐈, Schraubzwingen 🗜️, geflügelten Geldbündeln 💸 oder Wasauchimmer. Vor wenigen Tagen erst kamen noch eine Harfe, Rote Beete, ein lila Farbklecks und ein erschöpftes Smiley mit Augenringen dazu. Überfällig.

Spehre in Las Vegas, emoji
Lächelt er oder schaut er grimmig? Ein Emoji der Superlative auf dem Display der Las Vegas Sphere-Arena.

Welche Emojis verwenden die Deutschen am häufigsten?

Einige dieser Zeichen haben in unseren Whatsapp-Chats wahrscheinlich eher Seltenheitsstatus, bei manchen fragt man sich, ob sie überhaupt schon einen von innen gesehen haben. Aber es gibt auch die anderen, die in fast jeder Nachricht auftauchen.

Der weinende Lachsmiley 😂 etwa oder sein Kollege, der Zwinkersmiley 😉. Platz eins und drei der deutschen Lieblingsemojis. Das behauptet zumindest Tatjana Scheffler. Und sie muss es wissen, schließlich hat sie zusammen mit ihrem Team über 280 Millionen deutschsprachige Tweets durchforstet – und dazu noch einen etwas kleineren Datensatz an Privatnachrichten.

Kleine Einschränkung: Scheffler und ihre Kolleginnen haben ausschließlich nach Gesichtsemojis gesucht. Wahrscheinlich hätte sonst auch das Herz einen Spitzenplatz ergattert. Denn das zeigt die Analyse ebenfalls: Positive Emojis werden wesentlich häufiger verwendet als negative.

Wir nutzen lieber positive Emojis als negative

Im ersten Moment habe sie das überrascht, gibt Scheffler im Interview zu. „Das öffentliche Image von Twitter sagt ja eher, dass es da sehr negativ zugeht.“ Erklären könne sie sich dieses Phänomen aber schon. „In der Sprachwissenschaft hat man beobachtet, dass Emojis häufig für die Beziehungspflege eingesetzt werden, etwa um Kritik abzuschwächen [😥] oder um positive Nachrichten zu verstärken.“

Lachsmileys sind gewissermaßen der Plüschbezug digitaler Kommunikation. Eine flauschige Selbstverständlichkeit, der Normalfall, so ähnlich wie Punkt und Komma. Man nimmt sie gar nicht mehr wahr. Erst wenn sie fehlen, wird es interessant: Hat da wer was gegen mich? Die Leere weckt unsere Unsicherheit.

Scott Fahlman
Er ist schuld: Scott Fahlman tippte im Jahr 1982 den ersten digitalen Smiley in den Computer und wurde so zum Urvater der Emojis.

Nicht jeder versteht das Smiley gleich

Unsicher ist allerdings auch, wie manche Emojis überhaupt zu lesen sind. Und das sogar bei solchen, die ausgesprochen oft verwendet werden. Auch das hat Scheffler herausgefunden. Untersucht hat sie nämlich nicht nur die Häufigkeit von Emojis, sondern auch, wie sie in Deutschland verstanden werden.

Sie hat, mit anderen Worten, unserem digitalen Sprachgebrauch auf den Zahn gefühlt. Und dabei festgestellt, dass die Bedeutung vieler Gesichtsemojis schillert. Wer kann schon auf Anhieb sagen, was dieses seltsam anämische Strichemoji 🫥 sagen will: blasses Gesicht, gestrichelte Umrisse? Harte Nuss …

Schmaler Grat zwischen Nettigkeit und Sarkasmus

Aber auch vertrautere Gesichter machen Probleme. Zum Beispiel das ganz normale lächelnde Smiley 🙂, das von vielen auch so gelesen wird: als ganz normales lächelndes Smiley. Manche unter den Probandinnen und Probanden würden dieses Emoji allerdings auch ironisch lesen, berichtet Scheffler. „Das sind vor allem die jüngeren Versuchspersonen, die sagen, dass sei sarkastisch gemeint oder passiv aggressiv, oder es drückt aus, man sei innerlich tot. Das ist sehr unterschiedlich.“

Was für den Sprachgebrauch im Allgemeinen gilt, das gilt also auch für den Emojigebrauch im Besonderen. Homogenität ist nicht. Gerade zwischen den Generationen tun sich manchmal Verständnisgräben auf. Wobei Scheffler, wie sie betont, diesen Gap noch nicht genauer untersucht hat. Beispiele wie das lächelnde Smiley hätten für sie erstmal nur anekdotische Evidenz.

Tatjana Scheffler
Beschäftigt sich wissenschaftlich mit Emojis: die Linguistin Tatjana Scheffler.

Emojis in den Duden? Aber sicher!

Aber eines zeige sich ganz gewiss: Es gibt Klärungsbedarf, was Emojis angeht. „Ich würde sagen, wir brauchen eine Art Lexikon für Emojis“, sagt Scheffler im Interview, „weil es einen großen Bedarf gibt, nachzuschlagen, wenn man ein Emoji nicht so gut kennt.“

Womit wir wieder beim Duden wären. Der wurde ja gerade erst neu aufgelegt. Rund 3000 neue Worte kamen im August dazu, Worte wie „bienenfreundlich“, „Dachbegrünung“ oder „Bartöl“. Nichts gegen einzuwenden. Aber das ein oder andere Smiley dürfte da im kommunikativen Alltag deutlich mehr Relevanz haben. Also nochmal: Emojis in den Duden? „Ich bin dafür“, sagt die, die es wissen muss.

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Weitere Infos und Studien gibt’s hier:
Biodiversity communication in the digital era through the Emoji tree of life: https://www.cell.com/iscience/pdf/S2589-0042(23)02646-9.pdf
Emoji Requests: https://unicode.org/emoji/emoji-requests.html
Is there an association between family members’ season of birth that could influence birth seasonality? Evidence from Spain and France: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00324728.2023.2272983
Spektakulärer Fund bei Ausgrabung auf der Rostocker Rathausbaustelle: https://rathaus.rostock.de/de/rathaus/aktuelles_medien/spektakulaerer_fund_bei_ausgrabung_auf_der_rostocker_rathausbaustelle/350259

Unser Seh- und Hörtipp über die Feiertage:
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Und Nils zu Gast bei unseren Freunden von „Der KI-Podcast“ in der Folge „Brauchen wir ein europäisches Silicon Valley?“
https://www.ardaudiothek.de/episode/der-ki-podcast/brauchen-wir-ein-europaeisches-silicon-valley/ard/12986005/

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Redaktion: Charlotte Grieser und Chris Eckardt
Idee: Christoph König

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Tobias Stosiek