„Der Fortschritt ist seiner Natur gemäß immer fort.“ (Wolfgang Rihm) Als Zentralbegriff der Moderne hielt der Fortschritt für alles her, was Veränderungen beinhaltete. Insbesondere das Verlassen überkommener Systeme und Traditionen geschah im Dienste des Fortschritts, in der Musik namentlich die Abkehr von der klassisch-romantischen Tonalität (Atonalität), aber auch die kompositorische Berücksichtigung des Geräuschs, die Suche nach neuen Spieltechniken, experimentellen Formen usw. Fortschritt meinte in diesen Zusammenhängen immer auch einen qualitativen Sprung nach „vorn“, hin zum vermeintlich Besseren. Allerdings war die diskursive Wirklichkeit häufig nicht deckungsgleich mit der kompositorischen. Gerade die als „fortschrittlich“ bezeichneten Neuerungen funktionierten nicht selten mit einer starken Anbindung an Traditionen: Die Zwölftontechnik Arnold Schönbergs war z. B. vielfach an überkommene Formmodelle gebunden.
Auf eine Epoche der Fortschrittsgläubigkeit folgte im Zuge der Postmoderne eine Phase der Skepsis gegenüber dem Fortschrittsdenken. Die Formel neu = besser geriet in Zweifel; kompositorische Rückgriffe auf Althergebrachtes und Traditionelles wurden wieder salonfähig. Bezeichnungen wie „vorn“ und „hinten“, „alt“ und „neu“, haben spätestens heute ihre klare Zuordnung verloren und den Aufruf Giuseppe Verdis aus dem Jahr 1871 zum beliebten Zitat gemacht: „Torniamo all’antico: sarà un progresso“ („Kehren wir zum Alten zurück: Es wird ein Fortschritt sein.“)