JetztMusik - Glossar

Lautpoesie

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„Rrummpff tillff toooo?“ Dass man allein mit sprachlichen Lauten eine Art musikalische Dichtung schaffen kann, entdeckten und verfolgten nach Christian Morgenstern zuerst die Dadaisten (Dada). Hugo Ball schrieb mehrere Lautgedichte, in denen Sprache
klingt und Assoziationen weckt, aber nicht mehr semantisch und grammatisch verständlich wird (am bekanntesten: Karawane, 1917), auch Raoul Hausmann dichtete Laut. Kurt Schwitters schuf mit der Sonate in Urlauten (1923–32) ein komplettes, „sinnfreies“ Textstück nach der Vorlage musikalischer Formen.

Seit den 1950er Jahren setzten Dichter wie Gerhard Rühm, Ernst Jandl, Hans G Helms, Franz Mon und Oskar Pastior die Tradition der Lautpoesie und der Konkreten Poesie fort. Ähnliche Ansätze verfolgte der französische Lettrismus (Hauptvertreter:
Isidore Isou), eine Dichtung auf der Basis einzelner Buchstaben-Geräusche. Mit elektronischen Mitteln arbeiteten Henri Chopins Poésie sonore und die Text-Sound Compositions der Schweden Lars-Gunnar Bodin und Bengt Emil Johnson sowie Carlfriedrich
Claus in seinen Lautaggregaten.

Inzwischen gibt es Lautpoesie weltweit: Die Australierin Amanda Steward, der Holländer Jaap Blonk und der Russe Valeri Scherstjanoi gehören zu den bekanntesten Künstlern in diesem Bereich, Josef Anton Riedl integrierte Lautpoetisches in seine
musikalischen Kompositionen. Michael Lentz, selbst Autor und Interpret von Lautpoesie, veröffentlichte eine umfangreiche Bestandsaufnahme (Lautpoesie/-musik nach 1945, Wien: edition selene 2000). Spuren der Lautpoesie finden sich in vielen neueren Genres, u. a. Slam Poetry und Sprachkompositionen in Neuer Musik.

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Autor/in
SWR