Musikstück der Woche

Daniil Trifonov spielt Chopins 3 Mazurken für Klavier op. 56

Stand
Autor/in
Christiana Nobach

Frédéric Chopin beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit der Mazurka. Seine 60 Werke dieser Gattung sind ein Bekenntnis zu seiner polnischen Heimat und zeugen von seinem tiefen Gefühl für die Mentalität seines Volkes.

Anregungen erhält Chopin durch die verschiedenen Ausprägungen des Tanzes in diversen polnischen Regionen; er lässt diese aber gleichzeitig in absolute Musik von feinster Eleganz, raffinierter Harmonik und rhythmischer Kraft einfließen.

Chopins Klavier-Mazurken – ein Inbegriff polnischer Musik

Chopin ist unter den genialen Komponist*innen des 19. Jahrhunderts der einzige, der sich bewusst und nahezu ausschließlich seinem Medium, dem Klavier, gewidmet hat. Die Mazurken sind neben den Polonaisen und den Walzern die dritte Tanzform, die Chopin in seiner Klaviermusik gepflegt hat – auch, nachdem er 1830 seine Heimatstadt Warschau verließ und sich in Paris etablierte.

Mazurken basieren auf einem charakteristischen Dreier-Metrum mit Betonung auf der zweiten Zählzeit, dem sogenannten "Mazurka-Rhythmus". Ihre Melodien kennen häufig keine Dur-Moll-Tonalität und bewirken so eine beinahe exotische Klangwirkung. Chopins Klavier-Mazurken sind zusammen mit seinen Polonaisen zum Inbegriff polnischer nationaler Musik geworden.

Zukunftsweisende Harmonik und "Vaterlandsehnsucht"

Ihre Originalität beruht auf Chopins großer Vertrautheit mit der Mazurka-Tradition in der Gebrauchs- und Volksmusik. Trotzdem zitiert er nicht wörtlich, vielmehr bedient er sich feiner und mannigfaltiger Stilisierungsmittel und zukunftsweisender Harmonik innerhalb der gegeben engen formalen Grenzen.

In Chopins Mazurken ist neben dem tänzerischen Element der persönliche und lyrische Ton zugegen, der zuweilen auch als "Vaterlandsehnsucht" gedeutet worden ist. Daneben existieren aber auch Querbezüge zum verfeinerten Kulturdenken der französischen Hauptstadt und vor allem zum Pariser Salon, dem Treffpunkt der künstlerischen und geistigen Elite der damaligen Zeit.

Drei Mazurken – drei verschiedene Welten

So zeigt die erste Mazurka H-Dur aus op. 56 komplexe, sogar experimentelle Strukturen, die die Grenzen konventioneller Geselligkeit sprengen. Zwischen scheinbar unvereinbaren Themen hin- und hergerissen und in unterschiedlichen Tonarten und Tempi wird die Melodie voran getrieben, die in einer chromatisch diffizilen und langen Coda endet.

Erfrischend und unkompliziert wirkt dagegen die C-Dur-Mazurka Nr. 2, die die lydische und reine Quarte nebeneinander stellt und damit ein mittelalterliches Klangbild vermittelt. Der Melodie wird zudem bordunartig mit einer Dudelsack-Quinte unterlegt.

Die abschließende c-Moll-Mazurka formt quasi ein Mosaik aus Thementeilen, die alle organisch fortgesponnen werden. Die Eröffnungstakte – sowie die Passage hin zur ausgedehnten Coda – zeigen ausgefeilte polyphone Techniken und frappierende harmonische Wendungen.

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Autor/in
Christiana Nobach