Musikstück der Woche

Francis Poulencs Klavierkonzert cis-moll mit Anny Hwang

Stand
Autor/in
Bettina Müller-Hesse

Kloster oder Music Hall? Auch wenn der französische Komponist Francis Poulenc im Laufe seines Lebens zu tiefer Religiosität fand: seine Liebe galt immer auch dem Leichten, Spielerischen in der Musik, wie er sie aus den Pariser Music Halls der 1920er Jahre kannte. Sein Klavierkonzert ist eine herrliche Melange aller möglichen Stile.

Gegen die „Erschöpfung der Ohren“

In den 1920er Jahren zieht Poulenc mit gleichgesinnten Komponisten (und einer Komponistin!) um die Pariser Häuserblöcke. „Groupe des Six“ nennen sie sich und lassen kein gutes Haar an den etablierten Protagonisten der Musikszene: Den Impressionisten, die sich in rätselhaft atmosphärischer Klangfarbenmagie verlieren oder dem aufgeblähten Pathos der Spätromantiker. Können die nicht einfach mal auf dem Boden bleiben?

Stuhl-Musik

In einem „Manifest“ erklärt der „Anführer“ der sechs jungen Wilden, Jean Cocteau, was Musik sein soll: „Musik ist nicht immer Gondel, Streitross, gespanntes Seil. Zuweilen ist sie auch Stuhl.“

Zwei schnörkellose Sätze, die es in sich haben. Die sechs Aufmüpfigen fordern „Musik, die fest auf Erden steht, eine Alltagsmusik“ –, in der man dann eben auch wie auf einem Stuhl nur mal so sitzen kann. Musik soll klar, schlicht, spontan sein oder auch mal trivial.

Ein Meister der Zitate

Francis Poulenc wird ein Vorzeige-Stuhl-Musiker! Er bedient sich bei seiner Musik freimütig aller Stühle bzw. Stile, die es gibt zu seiner Zeit: Filmmusik, Jazz, Musik der Music Halls und Variétés sowie der Romantik. Dabei bleibt er immer tonal und melodisch.

Diese Lust am Zitieren behält er sein Leben lang bei, getreu seiner Devise: „Es gibt auch Platz für neue Musik, die sich nicht daran stört, die Akkorde anderer Leute zu benutzen." Poulenc - schwer zu fassen? Janus-köpfig? Vielleicht nur einfach nicht in eine Schublade zu stecken.

„J'ai les bois dans le sang“

Francis Poulenc liebt die Farben der Holzbläser, damit ist er als französischer Komponist ja wahrlich nicht allein. „Ich habe den Wald in den Adern“, sagt er. Auf seinen geliebten Wald verzichtet er auch in seinem Klavierkonzert nicht, das er 1949 im Auftrag des Boston Symphony Orchestra schreibt, da haben die Holzbläser immer wieder große Auftritte.

Ansonsten liebt er natürlich das Klavier! Poulenc war Pianist. Den Solopart hat er bei der Uraufführung in Boston – mit Erfolg – selbst gespielt. Man fragt sich, warum diese abwechslungsreiche Musik heute kaum mehr aufgeführt wird.

Zur Interpretin: Anny Hwang

Die Pianistin ist im Saarland aufgewachsen und hat chinesische Wurzeln. Schon als Gymnasiastin hat sie an der HfM Saar studiert und u.a. bei Karl-Heinz Kämmerling am Mozarteum Salzburg.

Anny Hwang engagiert sich in ihrem Projekt „AnnyTime“ für einen kreativen Austausch von Künstler*innen. Sie möchte, dass Künstler*innen sich nicht als Konkurrent*innen verstehen, sondern gegenseitig inspirieren. Vorbild sind ihr dabei die Künstlersalons vergangener Zeiten.

Das saarländische Kultusministerium hat sie für ihr kulturelles Engagement ausgezeichnet.

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Autor/in
Bettina Müller-Hesse