Mit 16 Jahren schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy sein Oktett in Es-Dur op. 20. Dazu inspiriert hat ihn ein Ensemble magischer Musikanten.
Immer wieder sonntags…
Die Leipziger Straße Nr. 3 ist wahrscheinlich den meisten Berlinerinnen und Berlinern ein Begriff. Denn hier sitzt, tagt und beschließt der Deutsche Bundesrat. Im 19. Jahrhundert befand sich auf diesem Grundstück das Anwesen der Familie Mendelssohn – ein schmuckes Palais mit einer großen Parkanlage. Hier lebte der Teenager Felix Mendelssohn Bartholdy.
Und genau dort – in der Leipziger Straße Nr. 3 – traf sich auch das ‚Who is who‘ der bürgerlich-intellektuellen Riege Berlins: Alexander von Humboldt richtete sich im Garten ein Observatorium ein. Philosophen und Literaten wie etwa Hegel, Schleiermacher und E.T.A. Hoffmann gaben sich die Klinke in die Hand.
Außerdem traf man sich alle zwei Wochen im Hause Mendelssohn zwischen 14 und 16 Uhr zu den sogenannten „Sonntagsmusiken“ – eine Konzertreihe, die zur damaligen Zeit in Berlin legendär war. Bei einer dieser „Sonntagsmusiken“ erklang vermutlich auch das Streichoktett in Es-Dur op. 20 von Felix Mendelssohn Bartholdy.
„Mein Felix fährt fort und ist fleißig“
Das Werk entstand im Oktober 1825. Zu diesem Zeitpunkt war Mendelssohn gerade einmal 16 Jahre alt. Sein Lehrer, Carl Friedrich Zelter, war äußerst zufrieden mit seinem Schüler. An Goethe schreibt er: „Mein Felix fährt fort und ist fleißig. Er hat soeben wieder ein Oktett für acht obligate Instrumente vollendet das Hand und Fuß hat.“
Hand und Fuß hat das Oktett allemal! Es scheint vor Melodien fast überzuquellen. An einigen Stellen klingt es so, als würde ein ganzes Orchester spielen – kein Wunder: Mendelssohn verdoppelt hier das klassische Streichquartett zu einem Oktett. Das heißt, es stehen ihm vier Geigen, zwei Bratschen und zwei Celli zur Verfügung. Mehr Instrumente bedeuten auch: mehr Kombinationen sind möglich. Damit lassen sich Lautstärke und Klangfarben viel feiner justieren.
Abrakadabra, Simsalabim!
Inspirieren ließ sich Felix Mendelssohn Bartholdy von Goethes „Faust“ – besser gesagt von einer ganz bestimmten Szene, nämlich dem Walpurgisnachtstraum. In diesem kleinen Intermezzo feiern alle möglichen und unmöglichen Gestalten die goldene Hochzeit der beiden Elfenhoheiten, Oberon und Titania. Die liegen sich sonst gerne in den Haaren und ziehen dabei alle drum herum mit hinein in ihren Ehestreit.
Aber in Goethes Walpurgisnachtstraum wird gefeiert. Da darf natürlich auch Musik nicht fehlen. Und das Festtagsorchester besteht aus ganz besonderen Musikanten: Mit dabei sind Fliegenschnauz und Mückennas, der Frosch im Laub und die Grill‘ im Gras. Am Ende dieser kleinen Szene spricht die Kreuch-und-Fleuch-Kapelle im Pianissimo:
„Wolkenzug und Nebelflor
Erhellen sich von oben.
Luft im Laub und Wind im Rohr,
Und alles ist zerstoben.“
Diese Verse standen Pate für den dritten Satz des Oktetts. Fanny, Mendelssohns Schwester, beschrieb das quirlige Scherzo folgendermaßen: „Man fühlt sich so nahe der Geisterwelt, so leicht in die Lüfte gehoben, ja man möchte selbst einen Besenstiel zur Hand nehmen, der luftigen Schaar besser zu folgen. Am Schlusse flattert die erste Geige federleicht auf – und Alles ist zerstoben.“ – Na, dann mal rauf auf die Besen!
Belcea Quartet
Das Belcea Quartet gründete sich 1994. Damals taten sich am Londoner Royal College of Music vier Studenten aus drei Nationalitäten zusammen: Die erste Geigerin Corina Belcea stammt aus Rumänien, der Bratschist Krzysztof Chorzelski aus Polen, Axel Schacher und Antoine Lederlin sind gebürtige Franzosen. Wichtige Impulse bekam das Quartett von den Mitgliedern des Alban Berg und des Amadeus Quartetts. Gegenwärtig gehört das Belcea Quartet zu den leuchtenden Sternen am Streichquartetthimmel.
Quatuor Ébène
1999 haben die vier begonnen, gemeinsam Musik zu machen – klassisches Streichquartett und Improvisationen, die sie in die Grenzgebiete von Filmmusik und Jazz führen. Zuerst probten sie nur zum eigenen Vergnügen in den Räumen der Universität. Dann wurde aus dem Spaß Ernst: Die vier haben zusammen studiert, beim Quatuor Ysaÿe in Paris, bei Gábor Takács, Eberhard Feltz und György Kurtág. Und als sie 2004 den ARD Musikwettbewerb gewannen, begann der rasante Aufstieg des Quatuor Ébène, der in zahlreichen weiteren Preisen und Auszeichnungen mündete.
Mehr Mendelssohn bei SWR2
Musikstück der Woche Domkantorei St. Martin und Philharmonisches Staatsorchester Mainz mit Mendelssohns „Lauda Sion“ op. 73
Das Fronleichnamsfest der Katholiken gibt es seit dem 13. Jahrhundert. Angeblich hatte die fromme Juliana von Lüttich 1209 die Vision eines Mondes mit einem Fleck. So wurde Juliana mitgeteilt, der Makel auf dem perfekten Rund sei der Hinweis auf das Fehlen eines wichtigen Festes im Kirchenjahr: Die körperliche Anwesenheit Christi im Abendmahl sei fortan angemessen zu begehen.