Musikstück der Woche vom 29.07.2013

Die Große

Stand
Autor/in
Anne Orschiedt

Ludwig van Beethoven: Sonate für Klavier Nr. 21 C-Dur op. 53 "Waldstein-Sonate"

"Zu lang!" bemängelten die Kritiker, als Beethoven seine Waldstein-Sonate veröffentlichte. Die drei Sätze von nahezu gleicher Länge und Intensität bedeuten nicht nur eine Herausforderung für den Pianisten, sondern fordern auch die Konzentration des Hörers; beide werden allerdings auch musikalisch reichlich entlohnt! David Fray spielt in unserem Live-Mitschnitt in der Reihe Internationale Pianisten in Mainz, das Konzert fand am 1.10.2010 statt.

Als groß angelegte Klaviersonate gilt die Waldstein-Sonate sowohl in ihrer Länge als auch in ihrer anspruchsvollen Virtuosität als Paradestück für jeden Klaviervirtuosen. Sie entstand in etwa gleichzeitig mit der "Eroica" und wurde im Erstdruck von 1805 noch mit „Sonata Grande“ überschrieben. Man kann den Gestus fast schon als symphonisch bezeichnen; die Sonate lässt den Hörer an ein Klavierkonzert denken. Ihren Namen trägt die Sonate dank Beethovens Mäzen Graf Ferdinand Ernst von Waldstein – den man ohne die Waldstein-Sonate womöglich längst vergessen hätte.

Beethoven kannte die "Gewaltfreie Kommunikation" noch nicht

"Ein Freund Beethoven's äußerte ihm, die Sonate sei zu lang, worauf dieser von ihm fürchterlich hergenommen wurde. Allein ruhigere Ueberlegung überzeugte meinen Lehrer bald von der Richtigkeit der Bemerkung. Er gab nun das große Andante in F dur, 3/8 Tact, allein heraus und componirte die interessante Introduction zum Rondo, die sich jetzt darin findet, später hinzu", so Beethovens Schüler Ferdinand Ries im Jahre 1838 in seinen biographischen Notizen.

Nach reiflicher Überlegung koppelte Beethoven also den zweiten Satz aus; das sogenannte „Andante favori“ erfreut sich seither als Einzelstück großer Beliebtheit. Doch auch mit dem neu dazugesetzten zweiten Satz ist die Sonate immer noch außerordentlich umfangreich. An seine Stelle setzte Beethoven eine kurze langsame Introduzione, die auf den Finalsatz hinleiten sollte und somit den dritten Satz besonders hervorhebt.

"Hat die Sonate zwei oder drei Sätze?" wundert man sich beim Hören. Wenn man im Programmheft von drei Sätzen liest, wird man im Konzert überrascht. Beim Hören vermittelt sich nämlich eher ein zweisätziger Eindruck. Durch kleine Kniffe wie diesen durchbrach Beethoven selbst gerne seine eigenhändig gesetzten Formschemata und spielte damit.

Beethoven, der Non-Konformist

Auch was die Komposition der Themen betrifft, wandert Beethoven hier bewusst auf dem schmalen Grat zwischen Regelkonformität und dem Spiel mit der Freiheit: Das Thema zu Beginn der Sonate stellt sich mit den auf der Stelle trippelnden Akkordrepetitionen für ein Sonatenthema recht untypisch dar. Kraftvoll läutet es die Sonate ein und bewegt sich harmonisch gleich in ganz entfernte Gefilde. Ein zartes, sangliches Seitenthema bildet dazu den Gegenpol. Die Introduzione kommt ganz ruhig im Adagio molto daher und leitet zum Finale hin. Dieses bewegt sich zwischen Aufhören und Wiederbringen des Themas. Wie in Endlosschleife wird das Thema in diesem als Sonatenrondo komponierten Satz gebracht und verweist doch gleichzeitig auf die Schlussfunktion des Satzes. Der Beethovenforscher Jürgen Uhde sagt über das Finale: „Musik rebelliert gegen das Verfließen der Zeit; es gibt hier kein ‚Nachleuchten‘ des großen Moments, sondern nur den Versuch, ihn zu übersteigern; am deutlichsten wird das im Schluß-Prestissimo.“

David Fray

Der französische Pianist David Fray, Jahrgang 1981, zählt zu den Fans der großen deutschen Komponisten. Fray begann das Klavierspielen mit vier Jahren und hat am Conservatoire de Paris bei Jacques Rouvier studiert. Als Sohn einer Deutschlehrerin und eines Forschers der Philosophen Kant und Hegel scheint die Liebe zur und das Interesse an der deutschen Kultur nicht von ungefähr zu kommen. Besonders das Werk Johann Sebastian Bachs hat es ihm angetan: seine CD-Einspielungen wurden mit vielen Preisen honoriert. Der französische Musikpreis Les Victoires de la musique classique zeichnete ihn als Instrumentalist des Jahres aus und er bekam mehrere ECHOs, zuletzt für seine Bach/Boulez-CD. Für dieses Album kürte ihn das BBC Music Magazine außerdem zum „Newcomer of the Year“. Neben Johann Sebastian Bach findet man in seinen Konzertprogrammen und CD-Einspielungen häufig noch andere große Komponistennamen wie Mozart, Schubert, Haydn, Brahms und Schumann. 

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Autor/in
Anne Orschiedt