Musikstück der Woche vom 3.3.2014

Pierre-Agricole Genín: "Karneval in Venedig"

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld

Luftschlangen und Konfetti

Eine alte neapolitanische Canzonetta ist die Mutter aller Faschingskompositionen - auch im Flötenkostüm. Der Flötist Michael Kofler, begleitet von Rudolf Meister am Klavier, spielte am 6.11.2013 die Variationen "Carnavale de Venise" op. 14 von Pierre-Agricole Genín in der Musikhochschule Mannheim.

Verwandlungsfähiger Gassenhauer

Die närrische Zeit ist die der Verkleidungen und Kostümierungen, der Masken und Verwandlungen. Musikalisch gesprochen der Variation. Aus einer neapolitanischen Canzonetta "O cara mama mia" machte Reinhard Keiser 1707 in einem Singspiel "Der angenehme Betrug oder Der Carneval von Venedig" einen regelrechten Gassenhauer. Die nächste 'Verkleidung' bekam die Canzonetta durch Niccolò Paganini, und zwar eine besonders reich und virtuos verzierte in seinen Konzertvariationen op. 10, die den Titel "Carnevale di Venezia". Frisch geschminkt hat danach Fréderic Chopin dieses Geigenbravourstück, und zwar dieses Mal passend für Klavier unter dem Titel „Souvenirs de Paganini“ und in Rondoform. Quasi rund und luftig wie eine Luftschlange, spielerisch und extravagant zugleich. Erst 1886 taucht dann im Saarland jener Text auf, die heute zu dieser Melodie gewöhnlich gesungen wird: "Mein Hut, der hat drei Ecken"…. oder wäre Ihnen lieber "Ein Mops kam in die Küche"… oder "Mein Schuh, der hat drei Löcher", wie es die Schlagersängerin Nena interpretiert hat. Oder am Ende doch eine nicht minder unterhaltsame Instrumentalfassung. Zum Beispiel die von Pierre-Agricole Genín, dem 1832 in Avignon geborenen Flötisten und Komponisten. Sein Hauptinteresse als Komponist galt seinem eigenen Instrument, und unter seinen mehr als 60 Werken für Flöte und Klavier ist sein "Carnaval de Venise" op. 14, den er für seinen Kollegen Eugène Damaré schrieb, sicher das berühmteste. Helau!

Michael Martin Kofler (Flöte)

Der Flötist wurde 1966 in Villach geboren und absolvierte sein Flötenstudium mit Auszeichnung an der Wiener Musikhochschule bei Werner Tripp und Wolfgang Schulz sowie bei Peter-Lukas Graf an der Musikakademie in Basel. Bereits während des Studiums wurde er Soloflötist im Gustav-Mahler-Jugend-Orchester unter Claudio Abbado, 1987 berief ihn Sergiu Celibidache in gleicher Position zu den Münchner Philharmonikern. Dem Preisträger bei mehreren internationalen Wettbewerben (ARD, Brüssel, Prag, Bari, etc.) wurden auch die Kulturförderungspreise der Münchner Konzertgesellschaft und des Landes Kärnten sowie der Würdigungspreis des Österreichischen Wissenschaftsministeriums und der Kulturpreis seiner Heimatstadt Villach verliehen. Seit 1983 gibt Michael Martin Kofler weltweit Solokonzerte, Recitals und Kammermusikabende und wirkt als Solist und Kammermusiker bei DVD, CD-, Rundfunk- und Fernsehaufzeichnungen mit. Er ist ein gern gesehener Gast-Solist bei über 80 namhaften Orchestern wie z.B. der Academy of St. Martin in the Fields, dem Australian Chamber Orchestra, dem Amadeus Chamber Orchestra, der Budapest Strings, der Zagreb Soloists, dem Wiener und Münchner Kammerorchester, der Amsterdam Sinfonietta, den Philharmonischen und Symphonischen Orchestern von München, Prag, Moskau, Tokyo, Osaka, Kyoto, Seoul, Calgary, Tel Aviv, Haifa, Mexiko, Warschau, Zagreb, Belgrad etc. Unter den Dirigenten mit denen der Flötist als Solist gearbeitet hat, seien Namen wie James Levine, Sir Neville Marriner, Fabio Luisi, Herbert Blomstedt, Frans Brüggen, Marco Letonja, Ralph Weikert, Milan Horvath, Pavel Kogan, Dimitrij Kitajenko, Ton Koopmann, Jonathan Nott, Hans Graf und Lorin Maazel genannt.

Zu seinen Kammermusikpartnern zählen u.a. die Pianisten Paul Badura-Skoda, Irwin Gage, Stefan Vladar, Stephan Kiefer, Oliver Triendl und Ikuyo Nakamichi, die Gitarristen Konrad Ragossnig, Martin Maria Krüger, die Blockflötistin Dorothee Oberlinger, die Harfenisten Han-An Liu, Sarah O’Brian, Xavier de Maistre und seine Ehefrau Regine Kofler, der Klarinettist Martin Spangenberg, die Streicher Benjamin Schmid, Clemens und Veronika Hagen sowie das Mandelring- und das Mozart-Quartett Salzburg. Michael Martin Kofler betreut seit 1989 als Professor eine Konzertfachklasse mit größtem Erfolg an der Universität ‘Mozarteum’ Salzburg und wird als Jurymitglied zu bedeutenden Wettbewerben, u. a. nach Cremona, Prag, Krakau und zum ARD-Wettbewerb München, sowie als Dozent zu Meisterklassen in Europa, nach Korea, Japan und Amerika eingeladen.

Rudolf Meister (Klavier)

Der Berliner Tagesspiegel schrieb über Rudolf Meister: „....manchmal stimmt es eben doch: nomen est omen“. Der 1963 in Heidelberg geborene Künstler schloss bereits als 20jähriger sein Studium an der Musikhochschule Hannover mit der Reifeprüfung ab (Prof. Konrad Meister). Ausgezeichnet durch mehrere Stipendien des österreichischen Bundesministers für Wissenschaft und Forschung setzte Rudolf Meister sein Studium an der Wiener Musikhochschule fort (Prof. Paul Badura-Skoda). Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bereits damals durch den Gewinn internationaler Wettbewerbe bekannt. An der New Yorker Juilliard School studierte Rudolf Meister als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes (Prof. Jacob Lateiner). Weitere Förderung erhielt er durch die Aufnahme in die Künstlerliste des Deutschen Musikrats.  

Rudolf Meister trat weltweit als Solist mit mehr als 30 Orchestern auf sowie als Kammermusiker mit berühmten Partnern wie Isabelle van Keulen, Ulf Hoelscher oder Wanda Wilkomirska. Dabei führten ihn seine Tourneen in Säle wie das Lincoln Center (New York), Tokyo Bunka Kaikan und Tokyo Metropolitan Theatre, Seoul Arts Center, ABC-Hall (Sydney), Salle Gaveau (Paris), Musikverein, Konzerthaus (Wien), Berliner Philharmonie und Festspielhaus Baden-Baden sowie zum Rheingau Musik Festival und Schleswig-Holstein Musik Festival. Daneben entstanden zahlreiche CD-Einspielungen, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft und Toshiba EMI.

Mit 26 Jahren wurde Rudolf Meister auf eine Professur an die Musikhochschule Mannheim berufen, nachdem er bereits als Badura-Skodas Assistent an der Wiener Musikhochschule gelehrt hatte. Seit 1997 führt er die Hochschule als jüngster Rektor Deutschlands. Er gab Meisterkurse und lecture recitals in Bulgarien, China, Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Korea, Österreich, Polen, Spanien und den USA (Yale University, Juilliard School/New York). Seine Studierenden sind Preisträger bei wichtigen nationalen und internationalen Wettbewerben (unter anderem ARD-Wettbewerb München, The Dranoff International Two Piano Competition Miami), und er ist auch selbst regelmäßig Juror derartiger Wettbewerbe. Er engagiert sich auch im Bereich der Studienvorbereitung, seine Schüler gewannen zahlreiche Preise bei „Jugend musiziert“ (u. a. 1. Preis Bundeswettbewerb Klavier Solo).  

Rudolf Meister war Vorstandsmitglied der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, stellvertretender Vorsitzender der internationalen Vereinigung der führenden Mozart-Städte „Mozart-Wege“ und Honorarprofessor des Konservatoriums Novosibirsk, er ist 1. Vorsitzender der Internationalen Max-Reger-Gesellschaft und Vorsitzender des Fachbeirats der Popakademie Baden-Württemberg. Für seine Förderung der rumänischen Kultur wurde ihm die George Enescu-Medaille des Rumänischen Kulturinstituts verliehen.

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Kerstin Unseld