Große von Eyeliner gerahmte Augen und Haute-Couture-Erhabenheit. Der milde Blick lässt aber alle Masken fallen. Maria Callas schafft diesen Spagat, zwischen der göttlichen Diva auf der einen und der femme fragile (zerbrechliche Frau) auf der anderen Seite.
Als Kunstfigur führt Maria Callas ein bizarres Eigenleben
2023 wäre sie 100 Jahre alt geworden. Beinahe die Hälfte dieser Zeit ist sie schon tot. Doch als Kunstfigur ist sie nach wie vor sehr lebendig: Ihr Leben wurde zum Stoff von Romanen und 1995 zur Vorlage von Terrence McNallys Theaterstück “Meisterklasse”.
Marina Abramovic ließ sie in ihrer Performance gleich sieben Mal sterben. 2018 wurde die Diva als Hologramm zum Leben wiedererweckt und kehrte als 3D-Animation erneut auf die Bühne. Zu den zahlreichen Dokumentarfilmen kommt bald auch das Biopic heraus. Angelina Jolie spielt „die Callas“ in Pablo Larraíns Film „Maria“.
Von “in Frieden ruhen”, kann keine Rede sein. Aber die Mythos-Bildung begann schon zu ihren Lebzeiten und wurde von Callas selbst inszeniert.
Maria Callas im Film
Kompromisslose Identifikation mit ihren Rollen
Denn Maria Callas nahm ihre Kunst unheimlich ernst. Sie fühlte und lebte ihre Partien wie keine andere – seien die Rollen und die Gefühle, die diese mit sich bringen, noch so abgründig. Das machte sie zu einer überzeugenden Schauspielerin und einer bewegenden Musikerin. Vielleicht hat diese Hingabe auch dazu geführt, dass Kunst und Leben wie Aquarellfarben ineinander überflossen.
Öffentliches Leiden
So könnte ihr Leben tatsächlich der Stoff einer Oper sein: unglückliche Kindheit unter dem Drill ihrer ambitionierten Mutter, Welterfolg in den 1950er-Jahren – immer mehr getrübt von Konflikten mit ihrem Manager, Zerwürfnissen mit Intendanten und mit der Presse. Ihre Affäre mit dem Reeder-Tycoon Aristoteles Onassis führte sie in den Kreis der Jetset-Society an der Cote d’Azur; am Ende heiratete der aber Jackie Kennedy.
In den 1960er-Jahren ging ihre Stimme allmählich in die Brüche. Ein jahrelanges hohes Arbeitspensum, ihr Einsatz in unterschiedlichen Rollen, Stimmfächern und -Lagen brachte ihr zwar den Welterfolg, sorgte aber auch für eine kurze Karriere. Auch privat ging sie bis zum Äußersten, als sie sich zum Beispiel innerhalb eines halben Jahres um mehr als 30 Kilo herunter hungerte. In ihren letzten Lebensjahren lebte sie zurückgezogen und starb mit nur 53 Jahren an einem Herzinfarkt.
Kuriositäten im Leben der Callas
Zum Mythos dürfen auch diverse Kuriositäten aus ihrer Biografie beitragen. So litt Maria Callas unter ausgeprägter Kurzsichtigkeit, trug ihre Brille jedoch nur in den Proben. In den Vorstellungen soll sie den Taktstock des Dirigenten kaum gesehen haben. Die Sehschwäche kompensierte sie mit einer akribischen Vorbereitung, die Partituren kannte sie auswendig.
Auch um ihrem Gewichtsverlust ranken sich Mythen. Ein Bandwurm soll dabei „geholfen“ haben. Zum treuen Begleiter der Diva wurde ihr Zwergpudel „Toy“. Er musste überall mit dabei sein: in Interviews, oder auch bei Proben im Theater.
Auch Halbwahrheiten und Fiktion tragen zur Legendenbildung bei
Nicht zuletzt wurde nach ihrem Tod ihre Asche vom Pariser Friedhof Père Lachaise gestohlen. Nachdem der Diebstahl in der Presse bekanntgemacht wurde, tauchte die Urne am gleichen Ort wieder auf. Was genau vorgefallen war, bleibt bis heute ungeklärt.
Zu den wahren Geschichten, kommen zahlreiche Halbwahrheiten und reine Fiktionen, die auch von ihrer Familie selbst nach ihrem Tod bgestreut wurden. So bemüht sich die neue Biografie “Maria Callas: Kunst und Mythos“ ausdrücklich darum, Leben und Legende auseinanderzuhalten.
Die Göttliche und die Menschliche
Ungeachtet aller Mythen um ihre Person bewundern wir die Brillanz bei Maria Callas. „La divina“ (die Göttliche), wie sie genannt wurde, gewährt aber auch Einblicke in ihr “Menschliches” – voller Unzulänglichkeiten, verletzlich und nahbar. Auch diese Polarität macht die Faszination der Jahrhundertsängerin aus.