Album-Tipp

„La Princesse de Trébizonde“ von Jacques Offenbach – Ein Hörvergnügen

Stand
Autor/in
Manuel Brug
Onlinefassung
Sebastian Kiefl
Künstler/in
Jacques Offenbach

Die allerwenigsten von Jacques Offenbachs weit über 100 meistenteils komischen Bühnenwerken wurden in Deutschland uraufgeführt. Die im Schausteller- wie im Adelsmilieu spielende „La Princesse de Trébizonde“ allerdings schon – 1869 in Baden-Baden, kurz vor dem Deutsch-Französischen Krieg. Jetzt ist dieses Werk mit seiner grandiosen Musik und den kuriosen Charakteren in einer Studioaufnahme erschienen.

Rückkehr zum musikalischen Geburtsort

Es geht ins Bein, champagnisiert und macht gute Laune: Das kann eigentlich nur Musik von Jacques Offenbach sein. Dieses Album gibt einem Recht, aber die Musik ist ziemlich unbekannt.

„Die Prinzessin von Trapezunt“, diesen charmant-spaßigen Dreiakter mit inhaltlichen Wiederhaken, hat Offenbach zwar zu seiner besten Reifezeit 1869 komponiert. Das Stück wurde im selben Jahr in Deutschland uraufgeführt und kehrte 2015 an seinen Geburtsort, dem Theater Baden-Baden, zurück. Trotzdem wird das Werk stoisch ignoriert, obwohl es viel wertvoll-raffinierte Musik enthält.

Happy End bei Offenbach

Hört man etwa dieses urkomische „Teller-Quintett“, wo sich eine zu Reichtum gekommene Schaustellerfamilie darüber beklagt, dass es früher, auf dem Jahrmarkt, weniger langweilig war. So versteht man wirklich nicht, wieso auf dieser satirisch subversiven Geschichte immer noch der Schatten der Vergessenheit liegt.

Natürlich spielte es eine Rolle, dass schon 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach und die „Princesse de Trébizonde“ über alle Schützengräben hinweg als Feindeswerk aus dem Repertoire verwehte. Vielleicht geschah das aber auch, weil der göttliche Jacques hier mal nicht nur die Spötterbrille aufhat?

Vielmehr erzählt er romantisch-mitfühlend die einfache, doch hintergründige Geschichte von Prinz Raphaël, der sich in die Wachspuppe einer exotischen Prinzessin verliebt, die in Wirklichkeit die Schaustellertochter Zanetta ist – was natürlich trotz Standesunterschiede als Happy End ausgeht.

Making of des Albums (Englisch)

The Making of Offenbach's La Princesse de Trébizonde | Anne-Catherine Gillet, Virginie Verrez

Puppe statt Automatenfigur

Melancholievergnügt intoniert der unschuldige, von Virginie Verrez gesungene Prinz Raphaël seine „Tauben-Romanze“, die „Romance des tourterelles“. Und gleich wird er sich in die vermeintliche Wachsfigur verlieben. Das übrigens geschah nur ein paar Monate vor dem Pariser Welterfolg von Léo Delibes‘ Ballett „Coppélia“, in dem es auch um eine Automatenfigur geht.

Das Freche bei Offenbach ist, dass sich der Prinz wissentlich in die Puppe verguckt, die dann aber zum Glück doch die quicklebendige Zanetta ist, famos getrillert von Anne-Catherine Gillet.

„Josh Lovell singt fast zu schön“

Die kernige Komik kommt freilich in der „Prinzessin von Trapezunt“ keineswegs zu kurz, wie etwa in diesem Stock-Couplet des Prinzenvater König Casimir, der greint, dass seine Gehhilfen dauernd kaputt gehen – weil er so jähzonig ist. Der Tenor Josh Lovell singt das fast zu schön.

Für eine allererste Studioeinspielung dieser süffigen Rarität hat sich nun ein Ensemble französischer Vokalspezialisten und die produzierende Opera Rara zusammengefunden. Die machen ihren Operettenjob ganz vorzüglich – und steuern zudem acht Alternativnummern aus der Baden-Badener Erstfassung bei. Aber eben auch jenes, das Ouvertüren-Thema aufnehmende Finale Zwei der Pariser Version.

Offenbachs „Princesse de Trébizonde“ auf YouTube bei OperaRaraOfficial

Offenbach: La Princesse de Trebizonde (London Philharmonic Orchestra & Paul Daniel) Opera Rara

Verspieltes Hörvergnügen

Hofschranzen und royale Knallschargen bekommen ihr komödiantisches Parodiefett ab, aber insgesamt sind die spitzen Ironiezähnchen Offenbachs wohliger Gemütlichkeit gewichen. Obwohl Prinz Raphaël sogar arios über Zahnschmerzen klagt. Am Ende muss der altadelig standessteife Fürst schließlich eine jugendliche Mesalliance mit Zanettas Tante eingestehen: Dann können alle zur Hochzeit schreiten.

Paul Daniel am Pult des London Philharmonic Orchestra dirigiert auch diese mit Schwung und Elan, stilvollen Streicherbögen wie delikaten Holzbläser-Verzierungen. Aus Zanettas schlurfiger Familie ragen Antoinette Dennefeld und Christophe Mortagne als aufmüpfige Schwester Régina und deren zaudernder Liebhaber Trémolini heraus.

Sie alle machen die duftig-verspielte „Princesse de Trébizonde“ zu einem seiltanzend artistischen Hörvergnügen. 

Stand
Autor/in
Manuel Brug
Onlinefassung
Sebastian Kiefl
Künstler/in
Jacques Offenbach