Thema Musik

Vom Achtliederbuch zur Lieder-App: 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch

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Autor/in
Almut Ochsmann

Vor 500 Jahren erschien die erste evangelische Liedersammlung. Reformation und Buchdruck brachten Kirchen zum Klingen und Gemeinden zum Singen. Heute ist das Gesangbuch in der digitalen Welt angekommen und wird außerdem für freie Jazz-Improvisationen genutzt.

Das Gesangbuch im Archiv

Sieben Jahre nachdem die Evangelische Kirche 500 Jahre Reformation gefeiert hat, steht ein neues 500-jähriges Jubiläum an: 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch. Über die Jahre haben sich etliche Versionen des Gesangbuches angesammelt. 5.500 Exemplare zählt das Archiv und Bibliothek der badischen Landeskirche. Dabei beschränkt sich die Gesangbuchsammlung nicht nur auf evangelische Liederbücher.

Auch katholische, freikirchliche, polnische und norwegische Gesangbücher reihen sich ein, dazu ein komplett handgeschriebenes. Als Alltagsgegenstände sind die Bücher klein und handlich doch es gibt auch Ausnahmen, wie zum Beispiel eines in Blindenschrift. Zwischen fast zersetzt und nagelneu ist alles dabei.

1524: Die Geburtsstunde des Gesangbuchs

Startschuss für das Gesangbuch war 1524, Martin Luther fast acht Lieder in einer gebundenen Liedersammlung zusammen, vier davon stammen aus seiner Feder. Ein gedrucktes Buch für die Massen war damals ein Novum, der Erfolg eines Liederbuchs für alle Schichten der Gesellschaft nahm seinen Lauf.

Gebührend gefeiert wird ein Gesangbuch natürlich mit der Stimme, im Juni 2024 veranstaltete Johannes Blomenkamp – Organist und Bezirkskantor in Karlsruhe Durlach – in der Durlacher Stadtkirche einen Liedmarathon, sieben Stunden lang wurden Lieder und Choräle gesungen.

Zur Sendung der Alten Musik zum Evangelischen Gesangbuch Alles, was Odem hat, lobe den Herrn – 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch

Bis zur Reformation haben die Gläubigen während des Gottesdienstes keine geistlichen Lieder in Volkssprache gesungen. Martin Luther ändert das und initiiert das evangelische Gesangbuch. 1524 erscheinen die ersten Liederdrucke, in Wittenberg wird das "Geystliche gesangk Buchleyn" gedruckt mit Liedern in 4-stimmigen Sätzen, 24 stammen von Martin Luther. Jedes evangelische Fürstentum, jede Grafschaft, jede Stadt, sogar jede Kirche einer Stadt hatte ihr eigenes Gesangbuch. Es gab auch Gesangbücher nur für Frauen. 500 Jahre evangelisches Gesangbuch spiegelt die Zeitgeschichte in Wort und Musik.

Ein Blick in die Zukunft

Die Arbeit am Gesangbuch ist nach 500 Jahren aber natürlich nicht abgeschlossen, derzeit arbeitet eine 72-köpfige Komission an einem neuen evangelischen Gesangbuch, die Dauer ist auf insgesamt 8 Jahre festgelegt. Zeit kostet vor allem die Auswahl: Von rund 10.000 Liedern werden 600 letztendlich ins neue Gesangbuch aufgenommen. Bei der Entscheidung hilft eine Umfrage aus dem Jahr 2021 mit dem Namen „Schick' mir dein Lied“. 10.000 Menschen schicken 2.500 verschiedene Lieblingslieder.

Erster Platz: Von guten Mächten wunderbar geborgen, auf Platz zwei „Geh aus, mein Herz und suche Freud“ von Paul Gerhard, Platz 3 „Großer Gott wir loben dich“, ursprünglich ein katholisches Lied, aber seit dem EG stehts auch im ev. Gb und ist auch sehr beliebt. Platz vier „Möge die Straße uns zusammenführen“, das bezieht sich auf einen irischen Segenswunsch, jedenfalls die erste Strophe, Platz 5 auch wieder ein Lied aus dem 17. Jahrhundert „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.

Die Digitalisierung macht auch bei Gesangbüchern keinen Halt, so soll eine App erscheinen, die die Lieder vorspielt, in eine andere Tonart setzt und zudem vierstimmige Chorsätze liefern kann.

SWR2 Weihnachtslieder "Auf, auf! Die rechte Zeit ist hier" aus dem Schemelli Gesangbuch

Kalenderblatt von Klaus Nagorni. Liedtext: Martin Opitz, Musik: Johann Sebastian Bach. Aufnahme mit dem Bach-Collegium Stuttgart, Peter Schreier (Tenor). Leitung: Helmuth Rilling.

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Almut Ochsmann