Mit wem Clara Schumann und Franz Liszt besonders gut konnten

Zwischen Herzensmenschen und Rivalen: Freundschaften unter Komponisten

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Die (angebliche) Feindschaft zwischen Mozart und Salieri hat Schriftsteller und Filmemacher inspiriert, doch von Freundschaften unter Komponistinnen und Komponisten liest man hingegen selten. Dabei waren Franz Liszt und Frédéric Chopin zeitweise unzertrennlich, Clara Schumann und Pauline Viardot-García sogar zeitlebens. Wir haben uns fünf Komponisten-Freundschaften genauer angeschaut.

Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel – Briefe über Kompositionen und Blumenzwiebeln

Bronze-Statue von Georg Philipp Telemann in Żary (Polen): Der Komponist sitzt Geige spielend auf der linken Seite einer barocken Rattan-Bank.
Georg Philipp Telemann war ein großartiger Netzwerker, meint Anke Dennert von der Hamburger Telemann-Gesellschaft. Er konversierte auch mit Mattheson, Pisendel und Johann Sebastian Bach. Letzterer machte ihn zum Taufpaten seines Sohnes Carl Philipp Emanuel.

Zum ersten Mal treffen Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel 1701 in Halle aufeinander. Der 20-jährige Telemann macht in der Stadt an der Saale bei einer Reise von Magdeburg nach Leipzig Station, um den vier Jahre jüngeren, „damahls schon wichtigen Hrn. Georg Fr. Händel“ kennenzulernen, wie er rückblickend schriftlich festhält. Es ist der Auftakt für eine lebenslange, produktive Freundschaft und Zusammenarbeit.

Mit den Jahren entwickelt sich eine rege Brieffreundschaft. Händel lebt später in London, Telemann in Hamburg. Die beiden konversieren auf Französisch, immer im höflich-distanzierten „vous“, schicken sich ihre Kompositionen zum gegenseitigen Feedback und tauschen sich über ihre Leidenschaft für die Gärtnerei aus. Händel schickt seinem Freund aus der englischen Metropole auch seltene Blumenzwiebeln in die Hansestadt.

Lassen Sie mich indessen nicht zu lange nach Ihrer freundlichen Antwort auf diesen Brief schmachten, da ich in tiefer Freundschaft und mit aller Wärme bin, Ihr ergebenster und sehr gehorsamer Diener Georg Friedrich Händel.

Franz Liszt und Frédéric Chopin – Zwischen Rivalität und Freundschaft

Schwarz-Weiß-Porträt des jungen Franz Liszt. Der Komponist steht in einem Anzug aufrecht, den Arm auf eine Stuhllehne angelegt.
Franz Liszt wird in Paris als Ausnahmepianist gefeiert. Bei seinen ungestümen Konzerten zerstört er angeblich auch den einen oder anderen Konzertflügel.

Der eine ist eine Rampensau, der andere scheut das Rampenlicht. 1832 lernen sich Franz Liszt und Frédéric Chopin kennen: Beide sind Anfang Zwanzig und beide wollen den Durchbruch in Paris schaffen, seinerzeit die „Welthauptstadt der Musik“.

Der Ungar Liszt ist schon seit einigen Jahren in der Stadt und begeistert die Massen – und nicht zuletzt die Frauen – mit seinem ungestümen Klavierspiel. Es herrscht eine regelrechte „Lisztomanie“. Ganz im Gegensatz zu ihm ist Chopin schüchtern und menschenscheu. Statt auf der Konzertbühne spielt Chopin lieber in Salons oder unterrichtet.

Liszt wird auf Chopin bei seinem ersten Pariser Konzert aufmerksam, wo dieser sein Klavierkonzert Nr. 1 zur Aufführung bringt. Chopin kannte Liszt zwar bereits zuvor, hatte in seinen Briefen aber keine sonderlich warmen Worte für dessen Klavierspiel übrig. Trotzdem: Die ungleichen Pianisten freunden sich an und geben gemeinsame Konzerte. Chopin widmet seinem Freund seine 1833 erschienenen Klavier-Etüden op. 10.

Doch nach wenigen Jahren knirscht es zwischen den beiden Freunden. Als Chopin auf Reisen ist, nutzt Liszt dessen Wohnung als Liebesnest für eine Affäre mit der Frau des Klavierbauers Camille Pleyel – der wiederum ein guter Freund Chopins ist. Ihre Beziehungen zu Frauen sind wahrscheinlich auch später der Grund für die immer größere Distanz zwischen den beiden Komponisten.

Chopin, der nie sonderliches Interesse an Frauen bekundet hatte, geht auf Vermittlung von Liszt eine Beziehung mit der Schriftstellerin George Sand ein, die ihrerseits zuvor wahrscheinlich bereits mit Liszt intim war. Und Liszt findet seine Lebensgefährtin in Marie d’Agoult, die zuvor an Chopin interessiert war.

Chopin-Denkmal im Parc Monceau in Paris: Chopin sitzt am Flügel und blickt hinab zu einer weiblichen Figur in trauernder Pose.
Chopin stirbt am 17. Oktober 1849 im Alter von 39 Jahren, wahrscheinlich an der Tuberkulose. Zur Aussöhnung mit Franz Liszt soll es nicht mehr kommen.

Liszt versucht in späteren Jahren immer wieder, die Beziehung zu Chopin zu kitten, schreibt ihm Briefe und organisiert Treffen. Doch Chopin lässt seinen früheren Freund immer wieder auflaufen. Zur Aussprache kommt es vor Chopins frühem Tod im Jahr 1849 nicht mehr.

Liszt schreibt seine Erinnerungen an den Freund 1851 in einer Biografie nieder. Außerdem widmet er ihm seine „Funérailles“, die von späteren Autoren immer wieder als musikalische Totenrede für Chopin gedeutet werden.

Clara Schumann und Pauline Viardot-García – Musikalische Herzensschwestern in Baden-Baden

Gemälde der Sängerin Pauline Viardot. Sie blickt die Betrachtenden über die Schulter hinweg an.
Die Mezzosopranistin und Pianistin Pauline Viardot-García feierte in ihrer über 20 Jahre dauernden Bühnenkarriere internatioanle Erfolge. Anschließend zog sie sich nach Baden-Baden zurück, wo sie auch als Komponistin wirkte. Sie schrieb unter anderem fünf Opern, für die teilweise Iwan Turgenjew die Libretti schrieb.

Anders als die stürmische Freundschaft von Liszt und Chopin hält die Freundschaft der Komponistinnen Clara Schumann und Pauline Viardot-García mehr als fünfzig Jahre. Die beiden Frauen begegnen sich erstmals im Sommer 1838 in Leipzig. Clara, damals noch unverheiratete Wieck, notiert in ihrem Tagebuch:

Nachmittag besuchte ich die Garcia und fand in ihr ein liebenswürdiges anspruchsloses Mädchen und eine echte Künstlerseele.

Schwarz-Weiß-Porträt von Clara Schumann im schwarzen Trauerkleid.
Zwischen 1863 und 1871 lebt Clara Schumann praktisch Tür an Tür mit ihrer Freundin in Baden-Baden, der „Sommerhauptstadt Europas“.

Das „echt“ unterstreicht sie in ihrem Eintrag. Die beiden Frauen verstehen sich direkt und schreiben sich bis an ihr Lebensende innige Briefe. Schumann macht international als Pianistin Karriere, Pauline Viardot als Opernsängerin. Wann immer ihre Konzertreisen es erlauben, treffen sie sich zum Musizieren, Essen und Plaudern. Vor allem in Baden-Baden, wo beide in den 1860er-Jahren leben, sind die Treffen ungemein innig:

Die beiden Freundinnen setzten sich, herzliche Freude des Wiedersehens sprach aus beider Mienen. Aber sonst, wie verschieden beide! Meine Mutter so schlicht und urdeutsch, so fremdländisch die andre! Und doch verband beide von Mädchenjahren an herzliche Freundschaft, die lange Jahre der Trennung und sogar den Deutsch-Französischen Krieg überdauerte.

Pauline Viardot-García und Clara Schumann sind zwei Gegensätze, die sich anziehen: Die spanischstämmige Viardot gilt als ungemein lebensfroh, Schumann hingegen als eher melancholisch. Zwischen ihren Treffen liegen teils Jahre, doch die innige Korrespondenz bleibt auch über diese Durststrecken bestehen – bis zu Schumanns Tod im Mai 1896.

Claude Debussy und Erik Satie – Eine Freundschaft in der Pariser Bohème

Fotografie der Komponisten Claude Debussy und Erik Satie, beide rauchend an einen Kamin gelehnt. Auf dem Kaminsims thront eine Buddha-Statue.
Claude Debussy und Erik Satie lernen sich wahrscheinlich in den einschlägigen Künstler-Lokalen der Pariser Bohème kennen. Ihre Freundschaft dauert 30 Jahre bis zu Debussys Tod.

Eine weitere große Komponistenfreundschaft, die sich in Paris entwickelte, ist die zwischen Claude Debussy und Erik Satie. Wie genau sich die beiden Männer Ende der 1880er-Jahre kennengelernt haben, ist nicht belegt.

1883 hatte sich der 21-jährige Debussy die Aufmerksamkeit seiner Komponisten-Kollegen gesichert, als er beim Prix de Rome, dem seinerzeit renommiertesten Kompositionspreis Frankreichs, den zweiten Platz belegte. Ein Jahr später gewann er den ersten Preis und durfte vier Jahre in der römischen Villa Medici seinen Musik-Studien nachgehen.

Schwarz-Weiß-Fotografie von Claude Debussy. Er lehnt auf die Ballustrade eines Balkons und sieht liebevoll zu seiner Zigarette, die er erhoben hält.
Debussy stirbt 1918 an einem Krebsleiden. Erik Satie überlebt ihn um weitere sieben Jahre.

Als er im Anschluss wieder nach Paris zurückkehrt,stürzt er sich in das Künstlerleben der Pariser Bohème. Debussy hält sich mit kleineren Kompositionen über Wasser, finanziell unterstützt wird er auch von seinem Verleger Georges Hartmann.

Erik Satie verkehrt in denselben Kreisen. Er verlässt 1887 das Elternhaus und findet im Nachtlokal „Le Chat noir“ Anstellung als Pianist. In dieser Zeit entsteht auch eine seiner bekanntesten Kompositionen, die „Gymnopédies“. Debussy ist begeistert von dieser Komposition und orchestriert zwei dieser Stücke für seinen Freund. Die Uraufführung der von Debussy arrangierten Fassung findet 1897 unter der Leitung von Gustave Doret statt.

Satie: Gymnopédies 1 & 3 (Orchesterfassung: Debussy) ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Alain Altinoglu

Debussy stirbt am 25. März 1918 in Paris. Satie schreibt rückblickend über seinen Kollegen und Freund:

Sofort, als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, fühlte ich mich zu ihm hingezogen und sehnte mich danach, für immer an seiner Seite zu leben. 30 Jahre lang hatte ich die Freude, diesen Wunsch erfüllt zu bekommen.

Sergej Rachmaninow und Fjodor Schaljapin – Eine lebenslange Freundschaft, die an der Oper begann

Porträt von Sergej Rachmaninow am Klavier. Rachmaninow blickt ernst auf die Tasten. Das Bild malte Boris Schaljapin.
Boris Schaljapin porträtiert den in Gedanken versunkenen, am Klavier sitzenden Sergej Rachmaninow. Die Freundschaft de beiden Musiker dauert ein Leben lang.

Rachmaninow und der Opernsänger Fjodor Schaljapin, beide 1873 geboren, begegnen sich 1896 im Moskauer Mamontow-Opernhaus. Schaljapin wechselt vom Petersburger Mariinski-Theater an das privat geführte Haus, weil er sich in der Zarenstadt nicht ausreichend gewürdigt fühlt. Rachmaninow befindet sich in einer tiefen Schaffenskrise und hat mit dem Komponieren aufgehört. An der Oper hat er Anstellung als Dirigent gefunden.

Es ist einmal mehr eine Freundschaft, die von den Gegensätzen lebt: Schaljapin ist ein geborener Entertainer, der es liebt, im Rampenlicht zu stehen. Rachmaninow ist schüchtern und kommt nur schwer mit anderen Menschen in Berührung. Der Sänger schafft es, den Komponisten aus seinem Schneckenhaus zu locken.

Bühnenfotografie von Boris Schaljapn. Der Opernsänger sitzt auf einem Thron in altrussischem Ornat in der Rolle des "Boris Godunow" aus Mussorgskis gleichnamiger Oper.
Rachmaninow ermutigt Schaljapin, sich mit Mussorgskis Werken auseinanderzusetzen. Die Rolle des „Boris Godunow“ wird für den Bass zur Paraderolle.

Künstlerisch inspirieren die beiden Musiker sich gegenseitig. Rachmaninow ermutigt Schaljapin, sich stärker mit der Partitur als musikalisches Gesamtwerk und den anderen Rollen in den Opern auseinanderzusetzen. Er legt ihm die Werke von Rimsky-Korsakow und Mussorgski ans Herz.

In seiner Autobiografie „Mann und Maske“ erinnert sich Schaljapin später an den Freund:

Mein Treffen mit Sergei Rachmaninow geht auf die ersten bewegenden Erinnerungen meines Lebens in Moskau zurück (…) Wenn er am Klavier sitzt, singe ich nicht alleine – wir singen beide. Als Komponist ist er die Verkörperung von Einfachheit, Klarheit und Aufrichtigkeit.

Rachmaninow wiederum lernt von Schaljapin, seinen Kompositionen ein theatralisches Element zu verleihen. Er schreibt viele Gesangskompositionen auf die Stimme seines Freundes.

Schaljapin singt Rachmaninow

Aleko: Aleko's cavatina (Recorded 1929)

1901 zieht es Schlajapin nach Westeuropa. Er singt in New York, London, Mailand und Paris. Auch nach seinem Weggang aus Moskau arbeiten die Freunde vereinzelt zusammen oder ziehen sich in künstlerischen Fragen ins Vertrauen. Rachmaninow geht schließlich 1917 mit seiner Familie ins amerikanische Exil.

Als Schaljapin 1938 im Sterben liegt, reist Rachmaninow nach Paris, um seinen todkranken Freund zu besuchen. Zwei Tage nach dem letzten Treffen stirbt der Sänger. Rachmaninow nimmt nicht an seiner Beerdigung teil, zu tief sitzt die Trauer. Doch folgende Worte sind überliefert : „Schaljapin wird nicht sterben. Er kann nicht sterben. Dieser wunderbare Künstler mit einer wirklich fantastischen Begabung darf nicht vergessen werden. Für zukünftige Generationen wird er zur Legende“.

SWR2 Musikstunde Hymnen an die Freundschaft (1-5)

Mit Jane Höck

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