Ein in der Längsrichtung langsam "Instrument", die dabei im Inneren des Stammes entstandenen, mit bloßem Ohr nicht hörbaren Geräusche das Basismaterial für die drei Teile des Stückes. Empfindliche Kontaktmikrofone machten es möglich, das feine Knistern präzise abzubilden. Dies allein wäre nicht mehr als eine kleine Hörsensation und bestenfalls eine interessante Feldaufnahme unter vielen, wenn da nicht dieses komplexe Frequenzspektrum gewesen wäre, welches mich in die Lage versetzte, mittels extensiver Filterungen und einer Reihe anderer, jedoch keineswegs exotischer technischer Maßnahmen aus den Innengeräuschen des Baumstammes eine Vielzahl kompositorisch relevanter Strukturen zu erwirtschaften. Die drei Teile der Trois Dryades zeigen völlig unterschiedliche Herangehensweisen an das Material, welches in seiner Originalgestalt lediglich im dritten Teil für kurze Zeit zu hören ist. Man erwarte deshalb keine akusto-dendrologischen Schallereignisse, sondern vielmehr ein nach rein gestalterischen Gesichtspunkten eingerichtetes Geräusch- und Klangkontinuum mit kaum noch wahrnehmbaren Verweisen auf das Ausgangsmaterial.
Warum ein französischer Titel? Warum Dryaden? Letztere waren in der griechischen Mythologie Baumnymphen, welche ihre Behausung verließen, wenn der Baum starb. Und der französische Titel ist eine kleine Verbeugung vor Pierre Schaeffer, dem Erfinder der konkreten Musik, aber auch vor Claude Debussy, der nicht nur die Idee der Klangfarbenkomposition vorangetrieben hat, sondern insbesondere mit Trois Nocturnes einen Teil der antiken Welt impressionistisch dargestellt hat. Von hier über die Dryaden bis zu meinem Baumstamm war es nicht weit. Kompositorisch liegen allerdings Welten und einhundert Jahre Zeit dazwischen.
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- Asmus Tietchens, Troy Dryades