Werkgruppen sind bei mir nie von langer Hand als solche geplant. Sie ergeben sich. Man schreibt ein Stück und spürt instinktiv, dass man mit einem Thema noch nicht fertig ist. Und steigt wieder in den Ring. Und weiß wieder nichts, beginnt wieder bei Null. Begibt sich auf labyrinthisch verschlungene Pfade. Vielleicht lauert hinter der nächsten Ecke eine Falltüre – oder es tut sich das Paradies auf. Die Möglichkeit des Letzteren ist es vielleicht, was einen immer wieder weitermachen lässt. Die Hoffnung, das neue Stück möge einen irgendwo hintragen, wo man noch nicht ist; es möge einen über sich selbst hinaustragen.
Ziemlich genau vor einem Jahr schrieb ich ein Stück für 48 Saiteninstrumente: Labyrinth. Während der Gruppenproben machte ich mir immer wieder Notizen, da ich verblüfft war, wie den isoliert gehörten Figuren noch ganz andere Verlaufspotentiale eingeschrieben schienen, solange sie nur aus dem Gesamtkontext herausgelöst waren. Was in der Zusammen-Setzung zu einem bestimmten Formverlauf geführt hatte, hätte an den entscheidenden Scharnierstellen auch eine ganz andere Wendung nehmen können. Hier wollte ich ansetzen und auf der Basis dieser Erfahrung noch einmal einen ganz anderen Versuch zum Thema "Labyrinth" machen, das mich offenkundig nicht losließ.
In diesem Zweiten Labyrinth gibt es nun fünf um das Publikum herum postierte Gruppen, die die Funktion von Blöcken bzw. Wänden haben: eine Art "Riesenharfe" auf der Hauptbühne (2 Harfen, 2 Flügel, Cymbal und Zither), links 8 tiefe Holzbläser (2 Bassklarinetten, 2 Kontrabassklarinetten, 2 Fagotte, 2 Kontrafagotte), 8 Hörner rechts, 4 Piccoloflöten auf einem hinteren Podest, sowie 26 Geigen, den ganzen Saal umzingelnd.
Schimmerten im (ersten) Labyrinth dank des wesentlich größeren Streicherapparates wenigstens noch Rudimente eines linearen Ariadne-Fadens durch, ist dieser im zweiten Versuch bereits nach wenigen Sekunden gerissen und verbirgt sich über weite Strecken. Aber auch in seiner Abwesenheit kann der Faden gedacht werden.