Donaueschinger Musiktage 2001 | Bericht

MultimediaRadio 2001: Bericht über "Donaumusik 2001"

Stand

Eine virtuelle Video-Oper von Peider A. Defilla

Donaumusik 2001 ist eine virtuelle Oper, da die Aufführung nicht auf ein "Opernhaus" beschränkt ist, sondern jeden Aufführungsraum zum Opernhaus verwandelt.

In Donaueschingen war dies das alte Sudhaus der Fürstlich Fürstenbergischen Brauerei. Das "Bühnenbild" besteht ausschließlich aus Projektionen. Sie kommen von Video- oder Filmprojektoren und umfassen den ganzen Raum, ohne Rücksicht auf Positionen von Zuschauern und Zuhörern oder auf irgendwelche Beschaffenheiten des Raumes. Insofern sind sie auch gleichzeitig die "Beleuchtung". Sie sind also "virtuell", was nicht stimmt: sie sind gleichzeitig ganz real, und zwar so real, dass nicht nur die Projektionsapparate, sondern auch die "Player", die sich mit ihnen auseinandersetzen, Teil des "Bühnenbildes" und somit auch der Aufführung sind.

Die drei Akte wurden an drei aufeinanderfolgenden Tagen gespielt. Jeder Akt hat eine Dauer von ca. 30 Minuten. Die einzelnen Akte nehmen selbstverständlich aufeinander Bezug und steigern sich entsprechend, doch wird die Erscheinungsweise in jedem Akt verschieden sein.
Zwischen Akt 1 und 2 sowie Akt 2 und 3 wurde das Sudhaus mit einer überleitenden Video-Installation bespielt. "Inhaltlich" ist die Oper Donaumusik 2001 ein Versuch, über Musik, Kunst, Kultur und Politik unabhängig von jedwelcher journalistischen Befangenheit zu reflektieren.

1. Akt: MEIN VATERLAND

Musik als nationales Attribut. Meta-Nationalismen, der Globalisierungs-Nationalismus, die Verteidigung der Engstirnigkeit mittels Musik. Sport, Musik und Nationalhymne zum Beispiel.
Musik-Service. Anwenderfreundliche Musik, kundenfreundliche Musik zum Frühstück. Gnadenloseste Musik als Dauer-Sound: Die Hit-Garantien. Ora et labora - mit Musik.

2. Akt : HISTOIRE DU SOLDAT

Wir sprechen nicht von Kriegen, die waren, sondern von Kriegen, die sind und sein könn(t)en: Glaubenskriege, soweit das Auge reicht: Alle ("Neuen"!) Kriege des 21. Jahrhunderts sind religiös "begründet":


Palästina, Nordirland, Bosnien-Mazedonien, Afghanistan, und so weiter, die Reihe ist unbeschreiblich und entsetzlich, jeder weiß das. (Übrigens ist beachtlich, dass in "letzter Zeit", sagen wir in den letzten zehn Jahren, sozusagen alle politisch-gesellschaftlichen Visionen und Projektionen in eine nahe oder gar ferne Zukunft von der journalistischen Bildfläche verschwunden sind. Eine postmoderne Theodizee macht sich in unserer freien Markwirtschaftspresse breit, dass einem Angst und Bange wird. Der Blick in die Zukunft findet nur noch im Videospiel statt, das - in "seriösen Kreisen" - beinahe so verpönt ist wie ein Pornofilm...).
Die Religion und die Musik, die schlagkräftige Strategie, letztlich kriegsentscheidend. Corporate Identity, Kraft durch Freude, Börsenschlachten, innovativ, flexibel, effektiv.

Und über allem das gnadenloseste Damokles-Schwert, das Gottes friedlicher Erdball je gesehen hat: Das neuste SDI-Programm der neusten amerikanischen Administration: jederzeit überall mit allen Mitteln Krieg führen, zentral gesteuert, anonym abgefeuert, alles SOFT-Ware!!! Und nach dem ersten dieser "Neuen" Kriege wird man dann, so zynisch das jetzt klingen mag, jeden palästinensischen Kamikaze von "heute" als harmlosen Pantoffelhelden bemitleiden, so wie dies "heute" ja auch mit den Konzentrationslagern der SS weitgehend geschieht....

3. Akt: PHANTASMA - DAS MUSIKALISCHE OPFER

Die (Neue) Musik auf dem Seziertisch. Musikalische Theorie kontra musikalische Praxis. Experimentelle Theorie versus experimentelle Praxis. Das Experiment als Marketing-Instrument, in der Musik wie in der Gentechnik. Finden in der Musik wirklich Experimente statt? Sind nicht alle denkbaren Klänge prinzipiell bereits erzeugt und irgendwo in irgendeinem (vielleicht gar musikalischen) Zusammenhang abgespeichert? Das Experimentelle in der Musik kann dann wohl nur (noch???) die Reflexion ihrer (Aus-)wirkungen sein.... (Schon wieder bietet einer eine neue Software für Neue Musik an, es wird langsam, aber sicher öde).

Stand
Autor/in
SWR