Donaueschinger Musiktage 2001 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2001: "High Fidelity"

Stand
Autor/in
Andreas Oldörp

Experimente mit Klang haben im vergangenen Jahrhundert zu neuen Entwicklungen in verschiedenen Bereichen der Kunst geführt. Für die Musik gilt dies beispielsweise für die Stücke und Arbeiten von Edgard Varèse, Pierre Schaeffer oder John Cage; für die Bildende Kunst wären die Dadaisten und die Fluxusbewegung zu nennen. Gewiß sind nach wie vor noch Experimente und – mehr noch – Recherchen notwendig. lm 21. Jahrhundert ist Klang jedoch als ein künstlerisches Material verfügbar, das sich weniger mit dem Aspekt Experiment verbindet als mit den Möglichkeiten sehr unterschiedliche Form und Werkgestaltungen zu verwirklichen.
Ich setze seit Jahren Klang als zentrales Material in meinen Installationen ein, dennoch geht es mir – ich denke in charakterisierendem Gegensatz zu einer gängigen Musikdefinition – um eine weitgehend zeitunabhängige räumliche Organisation permanent erzeugter Klänge und ihre Wechselwirkungen. "Akustische Architekturen" sind das Ergebnis. Deren Komplexität verdankt sich zu einem großen Teil dem prismatischen Aufbrechen einzelner Klangfarben, dem Freisetzen ihrer Mikrostrukturen. Während der Entwicklung solcher Installationen ist die spielerisch-strategische Zusammenführung von Klängen von ähnlich zentraler Bedeutung wie das Ausloten der Einflüsse des Ortes auf den Klang und das Klangerleben. Sicherheiten kann es dabei im Vorwege nicht geben, und so könnte man von einer experimentierenden Annäherung an das Werk sprechen. Letzteres ist jedoch vollständig durch – wie auch immer gewonnene – Entscheidungen und qualifizierte Setzungen begründet.

Diese Zuspitzung des Produktions-/Kompositionsprozesses ist zumindest für meine Arbeitsweise unabdingbar. Das Experimentelle als Werkanteil zuzulassen, erscheint – nachdem zahlreiche Beispiele den überwiegend intellektuellen Reiz solcher Konstruktionen belegen können – für meine künstlerischen Intentionen ungeeignet. Für mich ist Kunsterleben, gleich welcher Form, nur als hochkomplexe Verflechtung des Werkes mit individuellen Assoziationsräumen sinnvoll vorstellbar. Der potentiell verunsichernde Charakter dieser Situationen erscheint mir um so eher Selbstverteidigungsreflexe vermeiden zu können, je unvermittelter das Werk plausible "Bewegungsmöglichkeiten" öffnen kann, ein "Du-sollst" oder "Du-musst" vermieden wird. Analog zur Formfindungsstrategie im Produktionsprozess kann das Experimentieren dem Rezipienten dann wieder hilfreich bei der Erfindung veränderter Selbstentwürfe in einem erweiterten Horizont sein.

"High Fidelity" ist der besonderen Struktur des Schlossparkes eingeschrieben. Ein Teich mit zwei etwas voneinander entfernt liegenden Inseln, Wege, die den Flaneur mal näher, mal in Entfernung zum See geleiten; eine ideale Voraussetzung, um jeder der Inseln eine komplexe Klangstruktur zuzuordnen, die sich – je nach Hörort etwas anders – aufeinander richten. Die Klangquellen, für den Außenraum entwickelte "Orgel"-Pfeifen, erlauben dabei Wind und Wetter in einem gewissen Rahmen den "spielerischen" Einfluss auf das Klanggewebe. Das "Konzert", d.h. die Rückführung dieser Klänge in eine zeitliche Struktur wird zu einem individuellen Akt, der bestimmt ist von der Dynamik des Besuchers.

Stand
Autor/in
Andreas Oldörp