Die Anatomie der Geste
Die dramatische Natur der Geste und die Thematisierung der visuellen Dimension des musikalischen Diskurses sind die wichtigsten Punkte, um die es in Beyond the boundary of silence geht.
Energie → Intention → Bewegung → Klang ist eine syntaktische Verbindung, durch die, wie ich glaube, die dynamische Struktur der Geste repräsentiert werden kann. Schon in ihrem zweiten/dritten Stadium (diese beiden sind tatsächlich praktisch untrennbar) kann eine primäre Form der Geste ein Bild erzeugen – Energie bekommt eine visuelle Dimension -, das dann den Klang so lange begleitet, wie er präsent ist.
Traditionell waren Komponisten (und sind es zumeist immer noch) primär auf den letzten Aspekt des ganzen Körpers einer Geste konzentriert: auf den Klang. Man kann noch immer Sätze lesen wie "Musik ist eine Kunst des Klanges". Beyond the boundary of silence ist eines meiner Werke, in denen dieser traditionelle Standpunkt hinterfragt wird. In dieser Komposition richte ich meine Aufmerksamkeit auf die ersten drei Aspekte der musikalischen Geste: Energie, Intention und Bewegung, die ich als eine Art Basis und sicherlich als den größeren Teil des "Eisberges" eines gestischen Körpers ansehe, von dem der Klang dann als eine relativ kleine Spitze betrachtet werden kann. In Beyond the boundary of silence werden diese drei Basiskomponenten einer Geste mit Hilfe der Zeitdehnungs-Technik unter die Lupe genommen, wodurch die visuelle Form der Geste dramatisch vergrößert wird, so dass ihre Anatomie vollständig betrachtet werden kann.
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- Donaueschinger Musiktage 2003
- Themen in diesem Beitrag
- Vadim Karassikov, Beyond the Boundary of Silence