Donaueschinger Musiktage 2008 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2008: "Aksaks"

Stand
Autor/in
Fabián Panisello

"Aksaks" ist Pierre Boulez gewidmet. Das Werk besteht aus fünf Teilen: "Aksaks, Deep field south, Chroma, Armonías derivadas und El corazón de Martín", und es leitet seinen Titel vom ersten Teil ab.

Das Stück ist eine Metapher für die unendlichen Wirkungskreise eines harmonischen Komplexes in einer Auswahl von Perspektiven und "zooms".

Der zweite Teil "Deep field south" ist benannt nach einer Reihe von Bildern aus einer zehntägigen Beobachtung des südlichen deep field des Weltraums, die im Oktober 1998 mit dem Hubble Telescope stattfand. Dabei hat mich die Vorstellung der Nähe zwischen dem deep field und dem big bang als dem Ursprung jeder Bewegung besonders inspiriert. Mit einer changierenden harmonischen Fläche als Hintergrund spielt die große Trommel einen sehr langsamen Puls, der nach den Regeln des traditionellen Aksak-Rhythmus betont wird. "Armonías derivadas" verkörpert ein vereinfachtes Stadium derselben harmonischen Komplexe, als ob es sich um ein Schwarzweiß-Foto handeln würde, das zahlreiche Komponenten des Originals herausfiltert.

Die Bewegung des ganzen Werkes stützt sich auf das Konzept des unbeständigen Gleichgewichts, das den Aksak-Rhythmus besonders kennzeichnet. Diese Behandlung der musikalischen Zeit wird in "Aksaks" (Teil 1) in linearer Form und bei "Chroma" (Teil 3) in einer segmentierten Form deutlich.

Als der Ethno-Musikwissenschaftler Simha Arom mir seinen Aufsatz "l'Aksak" zu lesen gab, war für mich besonders interessant, festzustellen, dass zahlreiche Musikkulturen schon immer Aksak-ähnliche Rhythmen benutzt haben. Ich selbst arbeite seit Jahren an der Organisation des Mikropulses in seinen verschiedenen Ebenen. Die Arbeit mit diesen Rhythmen in Etüden für ein oder zwei Klaviere war der Ausgangspunkt dieser Komposition für Orchester.

Der letzte Teil "El corazón de Martín" basiert auf einer erstaunlichen persönlichen Erfahrung. Nachdem ich verschiedene schnelle Tempi für diesen Teil ausprobiert hatte, entschied ich mich für das Tempo: Viertel 152 MM. Ein paar Tage, nachdem ich die Komposition dieses Teiles vollendet hatte, begleitete ich meine damals schwangere Frau zu einer Echographie. Überrascht stellte ich fest, dass das Herz meines damals noch ungeborenen Kindes im Tempo 152 schlug! Ich verstand dieses Ereignis einerseits als eine Bestätigung des ausgewählten Tempos und andererseits als einen symbolischen Schluss des ganzen Werkes.

Tatsächlich stand die ganze Komposition hindurch – auf der "makro"-Ebene in "Deep field south" und "Armonías derivadas" und auf der "mikro"-Ebene in "Aksaks", "Chroma" und auch in "El corazón de Martín" (deutsch: Martins Herz) – das Herz eines noch nicht geborenen Wesens stets im Mittelpunkt.

Festivaljahrgänge
Donaueschinger Musiktage 2008
Themen in diesem Beitrag
Fabián Panisello, Aksaks für Orchester
Stand
Autor/in
Fabián Panisello