Poesie als politische Waffe
Alles ging über die Poesie, die sehr exzessiv war, sagt Farantouri. Diese Überspitzung hin zu einer Phantasiewelt machte die hässliche Realität leichter. Das Ziel der Kreativen war, die Menschen auf eine magische Weise zu erheben.
Abgesehen von diesem philosophischen Exzess war die Poesie auch eine politische Waffe, denn viele der Dichter hatten eine Vision. Die Vision eines besseren Lebens. Sie hatten das Bedürfnis, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und für Gerechtigkeit zu sorgen, sagt die Sängerin.
Als der griechische Komponist Mikis Theodorakis zu Beginn der 60er Jahre Texte des Dichters Seferis vertonte, kannten sich Theodorakis und Farantouri noch nicht. Doch nur ein paar Jahre später treffen sie aufeinander. Eine Begegnung, die Maria Farantouris Leben bis heute geprägt hat.
Schon als Kind begabt
Tiefe und Trost findet die Sängerin schon früh in der Musik, denn als Kind erkrankte sie schwer. Zum Glück wurde die Kinderlähmung früh erkannt und so durchstand sie die Krankheit ohne weitere Folgen. Lieder spielten für Farantouris zu der Zeit eine wichtige Rolle.
Maria Farantouri ist im Athener Stadtteil Nea Ioania aufgewachsen. Dort lebten damals viele Menschen, die Anfang der 20er Jahre durch die Kleinasiatische Katastrophe aus ihrer Heimat flüchten mussten und aus der Türkei nach Griechenland kamen – im Gepäck hatten sie auch immer ihre Musik, sogenannte Smyrneika.
Von all diesen unterschiedlichen Einflüssen umgeben wurde das Interesse der jungen Frau an der Musik gestärkt. Gesungen hat sie schon immer.
Während ihrer Zeit auf dem Gymnasium, lernte sie eine Mitschülerin kennen, deren Schwester mit dem „Verband der Freunde der griechischen Musik“ in Kontakt war. Das Ziel des Verbandes war es, das griechische Volkslied wieder aufleben zu lassen.
Davor orientierten sich griechische Kompositionen eher an Einflüssen aus anderen europäischen Ländern. Das sogenannte einfache griechische Volkslied war in intellektuellen Kreisen verpönt, aber das änderte sich zu dieser Zeit. Musikalische Volksnähe wurde plötzlich modern.
Farantouri und Theodorakis
Maria Farantouri, war gerade mal 16 Jahre alt, als sie von Mikis Theodorakis entdeckt wurde. Mit ihr als Sängerin veröffentlichte der Komponist in den 60er Jahren den Liederzyklus Mauthausen, den er eigens für Farantouris Stimme komponierte.
Die Texte schrieb der griechische Schriftsteller und Dichter Iakovos Kambanellis. Er überlebte im zweiten Weltkrieg das Konzentrationslager Mauthausen. Erst flüchtete er vor den Deutschen aus seiner Heimat Griechenland, wurde dann aber in Österreich verhaftet. In seinen Texten schilderte Kambanellis das Leid der Gefangenen.
Mit den Mauthausenkantaten erreichte Maria Farantouri Mitte der 60er Jahre international großes Ansehen. Die Zusammenarbeit mit Theodorakis wurde enger - er überließ ihr mehr und mehr seiner Lieder.
Farantouri wurde zur Hauptinterpretin seiner Werke und wurde immer bekannter. Doch dann, im April 1967, putschte sich das griechische Militär an die Macht. Die politischen und sozialkritischen Lieder verbreiteten sich immer weiter im ganzen Land. Das beunruhigte das Junta-Regime.
Vom Exil aus aktiv
Unter Gefängnisstrafe wurden Theodorakis Lieder verboten. Der Komponist wurde wenig später in das Gefangenenlager Averoff gebracht. Farantouri flüchtete nach Paris.
Maria Farantouri sang aus dem Ausland gegen das Junta-Regime an, das seine Gegner einfach wegsperrte, um sie mundtot zu machen. Die Sängerin wurde so immer stärker zur Stimme Griechenlands.
Trotz Gefangenschaft und Exil – die Junta konnte die kritischen Lieder nicht stoppen. Theodorakis schaffte es immer wieder, aus dem Gefängnis neue Stücke an Farantouri zu schicken, die zuerst in Paris, dann in London lebte.
Heimlich gab er die Kompositionen Besucherinnen und Besuchern mit, die sie herausschleusten. Selbst als er in das Bergdorf Arkadia verbannt wurde, gelangen die Lieder an die Öffentlichkeit.
Lieder als politisches Instrument
Nachdem Theodorakis durch internationalen Druck aus seiner Gefangenschaft befreit werden konnte, verließ er Griechenland. Mit ihm tourte Maria Farantouri durch die Welt und gab Konzerte.
So lernte sie auch ihren Mann kennen. Telemachos Hitiris, Lyriker und zukünftiger Politiker der sozialdemokratischen Partei PASOK.
Maria Farantouri machte durch ihre Konzerte auf das Junta-Regime im eigenen Land aber auch auf andere Ungerechtigkeiten aufmerksam.
Rückkehr in die Heimat
Es herrschte zu der Zeit immer noch die Junta in Griechenland. Theodorakis Musik wurde weiterhin verboten und Maria Farantouri durfte nicht in ihrer Heimat auftreten.
Das Militärregime konnte sich über sieben Jahre halten. Doch im Zypern-Konflikt haben sich die Obristen überschätzt. Sie wollten ganz Zypern an Griechenland anschließen.
Daraufhin besetzte die türkische Armee den nördlichen Teil Zyperns und schlug die griechischen Zyprioten in die Flucht. Nur wenige Tage später kollabierte das Militärregime.
Maria Farantouri verließ ihr Exil und reist nach Griechenland. Endlich konnte sie wieder in ihrer Heimat die Lieder von Theodorakis singen. Das erste öffentliche Konzert fand im Karaiskaki Stadion in Athen statt. Bei diesem Anlass feierten tausende Menschen die Freiheit.