Allein sein Name treibt heutzutage Dollarzeichen vor manch inneres Auge: Stradivari. Der Mann, der die berühmten Geigen gebaut hat, dessen Name für eine besondere Aura von Klang steht. Doch wer war dieser Antonio Stradivari eigentlich?
Was wissen wir über ihn? Die in Bonn lebende Kunsthistorikerin und Autorin Alessandra Barabaschi gilt seit vielen Jahren als Expertin auf diesem Gebiet – und so manche Odyssee von Stradivari-Geigen hat sie aufklären können. Jetzt legt sie eine Biographie des berühmten Geigenbauers vor. Christoph Vratz hat sie gelesen.
Seine Geigen aber sind legendär: die von Antonio Stradivari. Doch das Wissen über den Instrumentenbauer mit dem wohlklingenden Namen ist lückenhaft. Seine Geburt liegt rund 350 Jahre zurück, verlässliche Dokumente sind nicht gerade reichhaltig. Was tun, wenn man im 21. Jahrhundert ein Detektivspiel beginnt, um diesem Stradivari näherzukommen?
Das Geburtsdatum Stradivaris ist bis heute nicht bekannt
Zentrale Spuren führen nach Cremona. Verlässlich ist vor allem ein Dokument aus dem Jahr 1667. Hier taucht der Name Antonio Stradivari erstmals auf. Aber nicht etwa anlässlich seiner Taufe. Vielmehr steht sein Name im Ehe-Register. Da war er schon über 20 Jahre alt. Seine Geburt liegt nach wie vor im Dunkeln. Warum? Die dürftige Faktenlage lässt sich logisch erklären:
Wo es an Fakten mangelt, ist die Legendenbildung nie weit. Eine dieser Geschichten besagt, dass die Mutter ihren Sohn mitten auf einer Piazza in Cremona zur Welt gebracht und er den Namen Antonio bekommen hat, weil der dortige Pfarrer so hieß.
Das Buch richtet sich nicht nur an Spezialisten
Alessandra Barabaschi räumt auf mit Legenden und Mutmaßungen. Sie konzentriert sich auf das, was wir wissen und wissen können. Viele verbürgte Tatsachen finden sich bislang verteilt in einzelnen Fach-Publikationen oder auch in verschiedenen Biographien.
Aber in deutscher Sprache hat es noch kein solches Stradivari-Buch gegeben – ein Buch, das sich nicht nur an Spezialisten richtet, sondern in sehr anschaulicher, ja lebendiger Sprache an jede und jeden.
Zunächst fertigte Stradivari Kerzenständer und Altäre an
Man könnte auch sagen: Barabaschi führt einen unterhaltsamen Indizienprozess, der sich phasenweise wie ein Krimi liest. Sie beleuchtet das Umfeld, in dem Stradivari aufwächst, sie durchforstet das Zunftwesen des damaligen italienischen Geigenbaus, sie erhärtet den Verdacht, dass Stradivari anfangs mehr Kerzenständer und Altäre angefertigt hat als Geigen oder Bratschen. Um 1690 folgen dann die ersten Erfolge als Geigenbauer: Stradivari experimentiert.
Stradivari war besessen von seinen Idealen
Auch wenn er diese Neuerungen später wieder aufgibt, ist klar: Dieser Mann ist besessen von seinen Idealen. Kein Wunder, dass man ihn fast ausschließlich in seiner Werkstatt antrifft.
Barabaschi verzahnt seine Fortschritte im Instrumentenbau eng mit seinem Leben, mit den Höhepunkten und Schicksalsschlägen, etwa dem Tod seiner Frau.
Ein Testament liegt in vier verschiedenen Fassungen vor
Auch geht sie Fragen nach wie: Wer gibt welche Instrumente in Auftrag? Wer sind seine Kontrahenten? Woran kann man überhaupt eine echte „Strad“ erkennen? Dass Stradivari ein akribischer Arbeiter war, zeigt sich bis zuletzt – bis zu seinem Testament, das in vier verschiedenen Fassungen vorliegt:
Doch mit Stradivaris Tod beginnt ein neues, im Grunde noch viel umfangreicheres Kapitel, verbunden mit der Frage: Auf welchen Wegen gelangten seine Instrumente in wessen Hände? Natürlich kann die Autorin dem nicht in allen Details nachgehen, schließlich handelt es sich nicht um ein Handbuch über Stradivari-Instrumente.
In jeder Hinsicht empfehlenswert
Auch macht sie keinen Hehl aus Lücken, die bis heute nicht geschlossen sind. Etwas mehr als 300 Seiten umfasst Alessandra Barabaschis neues Buch: „Stradivari. Die Geschichte einer Legende“, das im Böhlau Verlag erschienen ist und 32 Euro kostet. Auch die Ausstattung, vom Papier bis zur Bebilderung, ist hochwertig. Ein in jeder Hinsicht nachdrücklich empfehlenswertes Buch.