Als Carl Theodor am 10. Dezember 1724 auf Schloss Drogenbos bei Brüssel geboren wird, ist es alles andere als ausgemacht, dass er einmal die Kurpfalz und Bayern regieren soll. Sein Vater Johann Christian ist Pfalzgraf von Pfalz-Sulzbach – einer Seitenlinie des Hauses Wittelsbach, das die Kurfürsten von Kurpfalz und Bayern stellt.
Beide Eltern sterben früh, schon mit zehn Jahren ist Carl Theodor Vollwaise und erbt den Titel und die Liegenschaften seines Vaters. Bald wird der Pfälzer Kurfürst Carl Philipp auf den jungen Wittelsbacher aufmerksam. Der Kurfürst hat keinen männlichen Nachkommen, nur eine seiner Töchter hat das Erwachsenenalter erreicht.
Deshalb holt er den zehnjährigen Carl Theodor nach Mannheim. Hier soll er zum Nachfolger erzogen werden und Elisabeth Auguste, die vier Jahre ältere Enkelin des Kurfürsten, heiraten. Carl Philipp stirbt am 31. Dezember 1742, der 18-jährige Carl Theodor tritt in seine Fußstapfen.
Musikstunde Carl Theodor von der Pfalz – Herrscher über sieben Länder (1-5)
Mit Jan Ritterstaedt
Diplomatisches Glücksschwein
Für den Preußenkönig Friedrich den Großen ist Carl Theodor nicht mehr als ein „fauler Kerl und Glücksschwein“, der mehr Länder geerbt als er selbst erobert habe. Tatsächlich aber schafft es der Kurfürst mit diplomatischem Geschick, sein Fürstentum aus den Herrschaftskonflikten der europäischen Großmächte herauszuhalten.
In der neutralen Kurpfalz konzentriert sich Carl Theodor auf die Förderung der Künste und Wissenschaften. Nicht zuletzt die Musik hat es dem Kurfürsten angetan, der selbst leidenschaftlicher Flötenspieler ist.
Carl Theodor investiert große Summen in die bereits unter seinem Vorgänger sehr gut ausgestattete Mannheimer Hofkapelle. Er verpflichtet große Virtuosen und gefeierte Komponisten. Eine „Armee von Generälen der Musica“ nennt der englische Komponist und Musikhistoriker Charles Burney die Hofkapelle bei seinem Besuch in Mannheim.
Sextett des Mannheimer Hofkapellmeisters Carlo Giuseppe Toeschi
Die Innovatoren der Mannheimer Schule
Doch erstklassige Musiker kommen nicht nur nach Mannheim, Carl Theodor lässt sie hier auch ausbilden. Der Mannheimer Hofkapellmeister und Instrumentalmusikdirektor Johann Stamitz begründet die „Mannheimer Schule“ zunächst als Orchester- und Violinschule. Die in Mannheim ausgebildeten Musiker verpflichten sich in der Regel auf 25 Jahre im Dienst des Kurfürsten.
Bis heute sind die Neuerungen der Mannheimer Schule im Bereich der Komposition signifikant. In Mannheim wird etwa die Sonatenform entwickelt, auch der Übergang vom Barock- zum klassischen Sinfonieorchester vollzieht sich in wichtigen Schritten in Mannheim.
Musikalische Effekte, die von den Komponisten der Mannheimer Schule erstmals eingesetzt werden, sogenannte „Mannheimer Manieren“ wie die Mannheimer Walze oder die Mannheimer Rakete, finden ihren Weg in die Kompositionen von Haydn, Mozart und Beethoven. Die klassische Orchestermusik, wie wir sie kennen, ist bis heute von den Innovationen aus Mannheim geprägt.
55. Sinfonie des Mannheimer Komponisten Christian Cannabich
Schwetzingen: Carl Theodors musikalisches Paradies
Dem strengen Mannheimer Hofzeremoniell entzieht sich der Kurfürst in seiner Schwetzinger Sommerresidenz. Musik spielt auch hier eine tragende Rolle. Der Kurfürst selbst gibt im Badehaus im Schlossgarten private Flötenkonzerte, im Schlosstheater und im Schlossgarten werden Opern, Ballette und Akademiekonzerte aufgeführt.
Die Fülle an Angeboten, die der Hof von Carl Theodor macht, kann Besucher überfordern. So schildert es etwa der französische Philosoph Voltaire, der 1753 in Schwetzingen weilt, nachdem er sich in Preußen mit Friedrich II. überworfen hat:
Im Juli 1763 führt eine Konzertreise den siebenjährigen Wolfgang Amadeus Mozart an den Hof. „Meine Kinder haben ganz Schwetzingen in Bewegung gesetzet“, schreibt Vater Leopold in einem Brief nach Salzburg, „die kurfürstlichen Herrschaften hatten ein unbeschreiblich Vergnügen und alles geriet in Verwunderung.“
Viermal besuchte Mozart Mannheim, insgesamt 176 Tage hielt er sich hier auf. Auch wenn er selbst keine Stellung fand in der Hofkapelle Carl Theodors, so schloss er doch lebenslange Freundschaften – und lernte hier seine spätere Frau Constanze Weber kennen. „Mit einem Wort: Wie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich“, schreibt Mozart im November 1778 in einem Brief an seinen Vater.
Rüdiger Thomsen-Fürst über die Musik im Schwetzinger Badhaus
Abruptes Ende für Mannheims musikalische Blüte
In Schwetzingen erreicht Carl Theodor am 31. Dezember 1777 die Nachricht, die der kurzen Mannheimer Glanzzeit ein jähes Ende setzen soll. Der bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph ist ohne männliche Erben in direkter Linie gestorben.
Um gegenseitig den Fortbestand der Wittelsbacher-Dynastie zu sichern, hatten sich die beide Kurfürsten vertraglich als gegenseitige Erben eingesetzt. Als Residenzstadt wurde München vereinbart.
So macht sich Carl Theodor am ersten Tag des Jahres 1778 auf den Weg nach Bayern. „Jetzt sind meine guten Tage vorbei“, soll der Kurfürst beim Abschied von Schwetzingen gerufen haben. Mannheim wird der Kurfürst nie wieder sehen.