300. Geburtstag

Kurfürst Carl Theodor: Wie der Pfalzgraf Mannheim zur Musikmetropole machte

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

In Mannheim und Schwetzingen erinnert man sich an Carl Theodor als Förderer der Wissenschaften und Künste, allen voran der Musik. Seine Mannheimer Schule beeinflusst die Musikgeschichte bis heute. Doch eine Nachricht am Silvesterabend 1777 setzt der Musik-Blüte zwischen Rhein und Neckar ein jähes Ende.

Als Carl Theodor am 10. Dezember 1724 auf Schloss Drogenbos bei Brüssel geboren wird, ist es alles andere als ausgemacht, dass er einmal die Kurpfalz und Bayern regieren soll. Sein Vater Johann Christian ist Pfalzgraf von Pfalz-Sulzbach – einer Seitenlinie des Hauses Wittelsbach, das die Kurfürsten von Kurpfalz und Bayern stellt.

Beide Eltern sterben früh, schon mit zehn Jahren ist Carl Theodor Vollwaise und erbt den Titel und die Liegenschaften seines Vaters. Bald wird der Pfälzer Kurfürst Carl Philipp auf den jungen Wittelsbacher aufmerksam. Der Kurfürst hat keinen männlichen Nachkommen, nur eine seiner Töchter hat das Erwachsenenalter erreicht.

Deshalb holt er den zehnjährigen Carl Theodor nach Mannheim. Hier soll er zum Nachfolger erzogen werden und Elisabeth Auguste, die vier Jahre ältere Enkelin des Kurfürsten, heiraten. Carl Philipp stirbt am 31. Dezember 1742, der 18-jährige Carl Theodor tritt in seine Fußstapfen.

Musikstunde Carl Theodor von der Pfalz – Herrscher über sieben Länder (1-5)

Mit Jan Ritterstaedt

Musikstunde SWR Kultur

Diplomatisches Glücksschwein

Für den Preußenkönig Friedrich den Großen ist Carl Theodor nicht mehr als ein „fauler Kerl und Glücksschwein“, der mehr Länder geerbt als er selbst erobert habe. Tatsächlich aber schafft es der Kurfürst mit diplomatischem Geschick, sein Fürstentum aus den Herrschaftskonflikten der europäischen Großmächte herauszuhalten.

Carl Theodor reitet mit seiner Mätresse auf dem Glücksschwein. Skulptur vor dem Schwetzinger Schloss
Glücksschwein oder geschickter Diplomat? Vor dem Schwetzinger Schloss zeigt eine Skulptur des Künstlers Peter Lenk den Kurfürsten mit seiner Mätresse auf dem Glücksschwein reiten.

In der neutralen Kurpfalz konzentriert sich Carl Theodor auf die Förderung der Künste und Wissenschaften. Nicht zuletzt die Musik hat es dem Kurfürsten angetan, der selbst leidenschaftlicher Flötenspieler ist.

Carl Theodor investiert große Summen in die bereits unter seinem Vorgänger sehr gut ausgestattete Mannheimer Hofkapelle. Er verpflichtet große Virtuosen und gefeierte Komponisten. Eine „Armee von Generälen der Musica“ nennt der englische Komponist und Musikhistoriker Charles Burney die Hofkapelle bei seinem Besuch in Mannheim.

Sextett des Mannheimer Hofkapellmeisters Carlo Giuseppe Toeschi

Toeschi: Sextet in B-Flat Major - I. Andante grazioso. Allegro

Die Innovatoren der Mannheimer Schule

Doch erstklassige Musiker kommen nicht nur nach Mannheim, Carl Theodor lässt sie hier auch ausbilden. Der Mannheimer Hofkapellmeister und Instrumentalmusikdirektor Johann Stamitz begründet die „Mannheimer Schule“ zunächst als Orchester- und Violinschule. Die in Mannheim ausgebildeten Musiker verpflichten sich in der Regel auf 25 Jahre im Dienst des Kurfürsten.

Das Orchester ist ohne Widerspruch das beste in Teutschland.

Bis heute sind die Neuerungen der Mannheimer Schule im Bereich der Komposition signifikant. In Mannheim wird etwa die Sonatenform entwickelt, auch der Übergang vom Barock- zum klassischen Sinfonieorchester vollzieht sich in wichtigen Schritten in Mannheim.

Innenhof des Mannheimer Barockschlosses bei blauem Himmel
Der Mannheimer Hof entwickelt sich unter Carl Theodor zum großen Kulturzentrum Europas. Vor allem die Hofkapelle setzt mit der Mannheimer Schule neue Akzente in der Musik.

Musikalische Effekte, die von den Komponisten der Mannheimer Schule erstmals eingesetzt werden, sogenannte „Mannheimer Manieren“ wie die Mannheimer Walze oder die Mannheimer Rakete, finden ihren Weg in die Kompositionen von Haydn, Mozart und Beethoven. Die klassische Orchestermusik, wie wir sie kennen, ist bis heute von den Innovationen aus Mannheim geprägt.

55. Sinfonie des Mannheimer Komponisten Christian Cannabich

Cannabich: Symphony No. 55 in C Major - I. Allegro maestoso

Schwetzingen: Carl Theodors musikalisches Paradies

Dem strengen Mannheimer Hofzeremoniell entzieht sich der Kurfürst in seiner Schwetzinger Sommerresidenz. Musik spielt auch hier eine tragende Rolle. Der Kurfürst selbst gibt im Badehaus im Schlossgarten private Flötenkonzerte, im Schlosstheater und im Schlossgarten werden Opern, Ballette und Akademiekonzerte aufgeführt.

Schlosspark Schwetzingen: Arion-Brunnen mit Blick auf das Schloss.
Der zentrale Brunnen im Schwetzinger Schlossgarten zeigt den mythischen Sänger Arion von Lesbos. Die Musik steht so auch symbolisch voll im Zentrum der Sommerresidenz des Kurfürsten.

Die Fülle an Angeboten, die der Hof von Carl Theodor macht, kann Besucher überfordern. So schildert es etwa der französische Philosoph Voltaire, der 1753 in Schwetzingen weilt, nachdem er sich in Preußen mit Friedrich II. überworfen hat:

Es fehlt mir nur Gesundheit, um alle Vergnügungen zu genießen. Französische und italienische Komödie, große italienische Oper, Komische Oper, Balletts, große Essen, Konversation, Höflichkeit, Würde, Einfachheit, das ist der Mannheimer Hof.

Im Juli 1763 führt eine Konzertreise den siebenjährigen Wolfgang Amadeus Mozart an den Hof. „Meine Kinder haben ganz Schwetzingen in Bewegung gesetzet“, schreibt Vater Leopold in einem Brief nach Salzburg, „die kurfürstlichen Herrschaften hatten ein unbeschreiblich Vergnügen und alles geriet in Verwunderung.“

Viermal besuchte Mozart Mannheim, insgesamt 176 Tage hielt er sich hier auf. Auch wenn er selbst keine Stellung fand in der Hofkapelle Carl Theodors, so schloss er doch lebenslange Freundschaften – und lernte hier seine spätere Frau Constanze Weber kennen. „Mit einem Wort: Wie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich“, schreibt Mozart im November 1778 in einem Brief an seinen Vater.

Rüdiger Thomsen-Fürst über die Musik im Schwetzinger Badhaus

Abruptes Ende für Mannheims musikalische Blüte

In Schwetzingen erreicht Carl Theodor am 31. Dezember 1777 die Nachricht, die der kurzen Mannheimer Glanzzeit ein jähes Ende setzen soll. Der bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph ist ohne männliche Erben in direkter Linie gestorben.

Um gegenseitig den Fortbestand der Wittelsbacher-Dynastie zu sichern, hatten sich die beide Kurfürsten vertraglich als gegenseitige Erben eingesetzt. Als Residenzstadt wurde München vereinbart.

So macht sich Carl Theodor am ersten Tag des Jahres 1778 auf den Weg nach Bayern. „Jetzt sind meine guten Tage vorbei“, soll der Kurfürst beim Abschied von Schwetzingen gerufen haben. Mannheim wird der Kurfürst nie wieder sehen.

Musikstunde Carl Theodor von der Pfalz – Herrscher über sieben Länder (1-5)

Mit Jan Ritterstaedt

Musikstunde SWR Kultur

Regierungszeit Carl Theodors

Ausstellung zum 300. Geburtstag Carl Theodor als Visionär und Wirtschaftsförderer: „Ein Kurfürst auf Zukunftskurs“

Die Ausstellung „Ein Kurfürst auf Zukunftskurs“ im Museum Zeughaus Mannheim erinnert an Kurfürst Carl Theodor aus der Pfalz als Visionär und Wirtschaftsförderer.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Ausstellung im Marchivum Mannheim Wie sah der Alltag in Mannheim unter Kurfürst Carl Theodor aus?

Zu Carl Theodors 300. Geburtstag stellt die Mannheimer Sonderausstellung die Menschen, die unter dem Kurfürsten lebten, in den Mittelpunkt. Grundlage sind historische Archivfunde.

SWR Kultur am Morgen SWR Kultur

Zeitwort 29.8.1751: Das große Heidelberger Weinfass wird fertig

Je mächtiger der Fürst, desto größer das Fass? Den Wettstreit zwischen dem sächsischen und dem pfälzischen Kurfürsten gewannen der Heidelberger Carl Theodor.

SWR2 Zeitwort SWR2

Schwetzinger SWR Festspiele Kabinettmusik im Badhaus: Die Musik am Schwetzinger Schloss

Eine Atmosphäre wie man sie im Pariser Salon erwarten würde, so beschreibt der Musikwissenschaftler Rüdiger Thomsen-Fürst die Musik im Badhaus des Schwetzinger Schlosses. Hier residierte und musizierte Carl Theodor von der Pfalz, er selbst spielte die Flöte. Thomsen-Fürst erklärt im SWR Kultur Musikgespräch zudem, woher der Mozartsaal eigentlich seinen Namen hat.

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik