- Von der Musicalbühne ins Stadium: You'll Never Walk Alone
- Vom Dirndlfest zum Jazz-Standard: My Favourite Things
- Österreichs vermeintliche Nationalhymne: Edelweiss
- Tanzverbot in Thailand: Shall We Dance
- Oh, What a Beautiful Morning
Von der Musicalbühne ins Stadium: You’ll Never Walk Alone
Vorsicht, Geschlechterklischee: Wenn Mann mal seine Gattin ins Musical begleiten muss, denkt er an nichts als an das verpasste Fußball-Spiel. Doch zumindest, wenn „Carousel“ von Rodgers & Hammerstein auf dem Spielplan steht, könnte es in der Mitte von Akt 2 zum Aha-Erlebnis kommen.
Im 1945 uraufgeführten Musical singt die Cousine der Hauptfigur Julie diese Nummer, um ihr Trost und Hoffnung zu schenken. Julies Ehemann, ein arbeitsloser Karussell-Arbeiter, hat sich nämlich ermordet, nachdem er sich aus finanzieller Not heraus an einem Raubüberfall beteiligt hatte und verhaftet wurde. Die schwangere und mittellose Julie bleibt allein zurück.
Als 1963 die Liverpooler Band Gerry and the Peacemakers „You’ll Never Walk Alone“ („Du wirst niemals alleine gehen“) auf Platte einspielte, fand der Titel seinen Weg ins Stadium des FC Liverpool. Seit mehr als 60 Jahren singen ihn Liverpool-Fans vor jedem Heimspiel ihre Vereinshymne. Auch andere Fußballclubs haben seitdem den Song für sich entdeckt, darunter Mainz 05 und 1860 München.
Auch für eine weitere Gruppe wurde „You’ll Never Walk Alone“ zum Song der Solidarität: Während der Quarantäne in den Hochzeiten der Corona-Pandemie wurde die Ballade von Rodgers & Hammerstein zum musikalischen Zeichen der Solidarität mit Ersthelfern und Pflegedienstlern im Fronteinsatz.
Vom Dirndlfest zum Jazz-Standard: My Favourite Things
In Teilen der Bevölkerung werden Musicals bis heute als süßlich-seichte Unterhaltung für die Massen belächelt. An diesem zweifelhaften Ruf trägt „The Sound of Music“ von Rodgers und Hammerstein eine nicht zu unterschätzende Mitschuld.
Das Musical orientiert sich an der Biografie der Österreicherin Maria Augusta von Trapp. 1926 wurde die Postulantin Erzieherin der Kinder eines verwitweten Korvettenkapitäns. Sie heiratete den Kapitän und gemeinsam gründeten sie einen erfolgreichen Familienchor. Nach dem Anschluss Österreichs durch die Nationalsozialisten entschied sich die Familie, das Land zu verlassen.
Mehrere Nummern des Stücks gelten heute als zeitlose Jazz-Standards, allen voran „My Favourite Things“ („Meine liebsten Dinge“). 1961 veröffentlichte der Saxophonist John Coltrane eine 14-minütige Instrumentalfassung des Songs. Das Stück wurde eins seiner bekanntesten Einspielungen.
Österreichs vermeintliche Nationalhymne: Edelweiss
Auch eine weitere, besondere Stilblüte geht auf das Konto von „The Sound of Music“ – und das Wörtchen „Blüte“ darf hier ruhig wörtlich genommen werden: 1965 wurde die Verfilmung des Musicals, in Deutschland veröffentlicht unter dem Titel „Meine Lieder – meine Träume“, zum großen Kassenschlager.
Christopher Plummer singt als Kapitän von Trapp ein angebliches österreichisches Volkslied über das beliebte kleine Alpenblümchen. Später im Film greifen die Trapp-Kinder das Lied bei einem Konzert in der Salzburger Felsenreitschule auf und alle Zuschauer stimmen beschwingt mit ein.
In den USA ist das Lied so populär, dass sich landläufig der Irrglaube hält, „Edelweiss“ sei die österreichische Nationalhymne. In Österreich selbst kommt diese Vorstellung nicht besonders gut an. Bei der Erstaufführung des Musicals im Alpenstaat nannte die österreichische Presse das Lied „eine Beleidigung österreichischen musikalischen Schaffens“.
Tanzverbot in Thailand: Shall We Dance
Das Amerikanische Filministitut krönte die Polka „Shall We Dance“ ( „Wollen wir tanzen“) zu einem der bedeutendsten Songs der Filmgeschichte. Im Film „Der König und ich“ tanzten Deborah Kerr und Yul Brunner in den Rollen der britischen Gouvernante Anna Leonowens und des Königs von Siam zu der beschwingten Nummer.
Das Stück „The King and I“ über die Erlebnisse von Leonowens als Erzieherin der royalen Nachkommen am thailändischen Königshof feierte 1951 am Broadway Premiere. Während sich das Stück im englischsprachigen Raum trotz überkommener Rollenklischees bis heute großer Beliebtheit erfreut – 2015 wurde es zum vierten Mal am Broadway inszeniert – sieht es am Ort der Handlung ganz anders aus.
Das Musical porträtiert den König als mitunter einfältigen und barbarischen Monarchen. In Thailand wird dies als Majestätsbeleidigung gewertet. Sowohl das Stück als auch seine Verfilmung sind dort deshalb seit 1956 verboten.
Zwischen Morgengruß und Landeshymne: Oh, What a Beautiful Morning
Strahlender Optimismus zum Start in den Morgen: Mit der Nummer „Oh, What a Beautiful Morning” (“Oh, welch schöner Morgen”) beginnt die erste Kollaboration von Rodgers & Hammerstein, das Musical „Oklahoma!“ von 1943.
Die Handlung könnte nicht amerikanischer sein: Cowboy Curly McLain und die Farmerstochter Laurey bekommen sich trotz ihrer Liebe immer wieder in die Wolle. Aus Trotz will Laurey mit dem zwielichtigen Jud zum Tanz gehen, vor Ort kommt es zum Duell zwischen den beiden Männern.
Unzählige Sängerinnen und Sänger versuchten sich an der großen Eröffnungsnummer aus „Oklahoma!“, unter ihnen Bing Crosby, Frank Sinatra, Ray Charles, Peggy Lee und Placido Domingo.
Das Musical brachte Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II. neben enormer Popularität auch einen Pulitzer-Preis ein. Und auch eine weitere Ehre wurde dem Komponisten und seinem Liedtexter zuteil: Als einziger Bundesstaat Amerikas verfügt Oklahomaseit 1953 über eine offizielle Hymne. Auch sie stammt natürlich aus ihrem Musical, es ist der Titelsong „Oklahoma“.