Rezension

„The Darker The Shadow The Brighter The Light” – Neues Album von The Streets

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Autor/in
Dirk Schneider

Ein Musiker, der den Zeitgeist einfängt: Als Mike Skinner alias „The Streets“ vor 21 Jahren auf der Pop-Bildfläche erschien, war das Feuilleton begeistert. Skinner brachte mit seinem lässigen Midlands-Akzent und dem minimalistischen Sound einen ganz neuen Ton in die britische Musik. Jetzt erscheint sein neues Album, ein Bericht aus der Welt der „Working Class“, vorgetragen mit schlafwandlerischer Stilsicherheit.

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Mike Skinner gilt er als der britische Rapper, der in detaillierten Beobachtungen den Alltag der unteren Mittelschicht besingt. Wie sollte man dabei auch nicht müde werden? Nicht in allen, aber in vielen der 15 Stücke auf seinem neuen Album hört er sich an wie jemand, der nach einem langen, anstrengenden Tag im Bus sitzt und aus dem Fenster schaut, auf all die anderen, erschöpften Menschen, die morgen wieder weitermachen müssen.

The Streets - „Each Day Gives“:

Lebenswelt junger Männer der „Working Class“

Der Erfolg von „The Streets“ Anfang des Jahrtausends markierte auch einen Wendepunkt in der britischen Geschichte. Tony Blairs New-Labour-Versprechen hatten sich größtenteils als Werbegeschwätz entlarvt, die nationale Euphorie von Britpop war verklungen, aggressivere Klänge wie die britische HipHop-Spielart „Grime“ brachten ein neues Lebensgefühl auf den Punkt.

The Streets war da noch eine der optimistischeren Stimmen, auch mit viel Witz schaute Mike Skinner auf die Lebenswelt junger Männer aus der unteren Hälfte der Gesellschaft, zum Beispiel in seinem Hit „Fit But You Know It“.

The Streets - „Fit But You Know It“:

Gleichnamiger Film von Mike Skinner entzaubert seine Musik

Natürlich stellt sich jetzt die Frage, ob The Streets noch eine relevante Stimme für das Post-Brexit-Britannien ist. Der Album-Titel „The Darker the Shadow the Brighter the Light“ könnte zynisch gemeint sein, aber auch Hoffnung tragen.

Es ist auch der Titel eines Spielfilms, an dem Mike Skinner die letzten sieben Jahre gearbeitet hat. In kompletter Eigenregie entstanden, erzählt er die Geschichte eines DJs, gespielt von Skinner, der sich auf Drogengeschäfte einlässt. Skinner weiß, wovon er hier erzählt, die letzten zwölf Jahre hat er sein Geld vor allem als DJ verdient. Leider entzaubert der Film die Musik des Albums, die gleichzeitig Soundtrack des Films ist, komplett. 

Skinner „bebildert“ treffsicher seine Welt mit Sound

In seinen Songs schafft es Skinner immer noch, komplett treffsicher seine Welt mit Sound zu bebildern – sei es mit Gitarrenklängen, Samples aus altem Swing oder Bollywood-Musik. Was hier assoziativ beim Hören geschieht, ist immer noch umwerfend.

Film teils unfreiwillig komisch

Bei der Übersetzung dieser Welt aus Clubs, Pubs, Drogen und Betten in Kinobilder fehlt Skinner diese schlafwandlerische Stilsicherheit völlig. Der 80-minütige Film wirkt mit seinen holprigen Dialogen und Schnitten teils schon unfreiwillig komisch. Dass die Songs zum Album sogar schon vor dem Film entstanden sind, hört man ihnen nicht an.

Als Berichte aus der Welt der gesellschaftlichen Verlierer wirken sie auch 2023 noch treffend, selbst wenn inzwischen viele dunklere, verzweifeltere Stimmen wie von den Sleaford Mods oder dem Sänger Benefits das britische Elend beschreiben. Und The Streets hat immer noch die besten Punchlines. Nur ein Beispiel: „Hinter jedem großen Mann steht eine Frau, die mit den Augen rollt.“

The Streets - „Funny Dream“:

Pop Neues Album von Blur „The Ballad of Darren“ – Melancholische Britpop-Balladen

Die Band Blur hat immer auch melancholische Balladen produziert, aber auf „The Ballad of Darren“ gibt es kaum noch etwas anderes zu hören. Es ist das erste Album der Britpop-Ikonen seit acht Jahren und ganz sicher das nachdenklichste.

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Dirk Schneider