Werner Witt:
Staufen im Breisgau und Wilhelmshorst in Brandenburg - zwei wichtige Orte für die deutsche Literaturgeschichte nach 1945
Wolf Biermann schrieb dieses Lied für den Lyriker Peter Huchel. Von 1962 bis zu seiner Ausreise aus der DDR 1971 lebte Huchel überwacht und isoliert in seinem Haus in Wilhelmshorst in der Mark Brandenburg bei Berlin. Nur wenige Freunde trauten sich noch dorthin. Biermann hatte wie Huchel nichts mehr zu verlieren und übernachtete manchmal auf dem Dachboden. Der Liedermacher erinnerte sich später wie Huchel zum Nachklang der Gitarre grübelte. „Dann sagte der Alte jedesmal nur dies eine Wort: Shakespeare.“ Biermann verstand nicht warum. Ein ungleiches Paar hatte sich gefunden. „Er wusste es meistens besser und war dennoch kein Besserwisser. Er war am lebensbitteren Ende und ich am lebenshungrigen Anfang.“
Peter Huchel hatte nach dem Krieg die Stelle als Chefredakteur der Zeitschrift „Sinn und Form“ angenommen, auf Drängen des späteren Kulturministers der DDR Johannes R. Becher. Eine Literaturzeitschrift auf höchstem europäischen Niveau sollte entstehen. Geistig wollte man der sich abzeichnenden politischen Spaltung Deutschlands etwas entgegensetzen. Die Reaktionen auf die erste Ausgabe 1949 waren euphorisch. Thomas Mann gratulierte Becher und Bertolt Brecht lobte Huchel. Doch bald wurden die Konflikte mit der SED nervenaufreibend. Die Zeitschrift richtete sich nach Ansicht der Partei zu wenig an die Werktätigen. Huchel wollte aufgeben und wurde von Brecht noch einmal zum Weitermachen überredet. 1962 verloren die DDR –Funktionäre die Geduld mit den Neomarxisten, Humanisten und Wortmagiern. Schön Gereimtes von Ulbricht sollte stattdessen erscheinen. Chefredakteur Huchel wurde rausgeworfen. Erst neun Jahre später am 27. April 1971 durfte die Familie nach Protesten von Heinrich Böll und dem internationalen PEN ausreisen. Der „Fall Huchel“ wurde für Ulbricht immer peinlicher. Huchel schrieb am Tag seiner Ausreise:
Der Verleger Michael Krüger, Huchel-Preisträger 1986, erlebte drei Tage nach der Übersiedlung Huchel als „gebrochenen Mann“. In Staufen im Breisgau bei Freiburg fand die Familie ein neues, ein letztes Zuhause. Die Schriftsteller Erhart Kästner und Marie-Luise Kaschnitz lebten in der Nachbarschaft. Die Familien wurden enge Freunde. Huchel starb 1981.
„Ich meine, der Lyriker lebt immer am Rand der Gesellschaft“, hatte Huchel einmal gesagt. Der Peter-Huchel-Preis möchte einen kleinen Beitrag leisten, dies zu ändern und er möchte im Sinn Huchels die Vielstimmigkeit der Gegenwartslyrik fördern. Darum wird jeweils am Geburtstag Huchels, er wurde am 3. April 1903 geboren, im Stubenhaus in Staufen der „herausragende Gedichtband“ eines Jahres ausgezeichnet.
Eher ungewollt hat sich der Preis auch zu einer Hommage an seinen Namensgeber entwickelt. Das ist bei älteren Preisträgern, darunter Manfred Peter Hein, Wulf Kirsten, Elke Erb, Jürgen Becker und Adolf Endler kaum verwunderlich. Sie kannten Huchel aus gemeinsamer Zeit. Uljana Wolf, Marion Poschmann, Nora Bossong und die Preisträgerin 2013 Monika Rinck gehören einer jungen Generation an. Doch auch für sie ist das Werk des Naturlyrikers und Sprachmagiers Huchel ein fester Bezugspunkt geblieben. Nora Bossong erzählte 2012, lange habe sie die Angewohnheit gehabt, ihren Studienalltag mit der Lektüre eines Huchel-Gedichtes zu beginnen.
Huchels Einfluss auf die Literatur nach dem 2. Weltkrieg ist bisher weder für die Zeit vor noch nach der Trennung Deutschlands angemessen beschrieben. Die Literarische Gedenkstätte für die Dichterfreunde Peter Huchel und Erhart Kästner, die im April 2013 im Stubenhaus in Staufen von der Stadt und der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätte in Baden Württemberg eingerichtet wurde, leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Werner Witt