Der Schriftsteller Jan Kuhlbrodt ist an Multipler Sklerose erkrankt. Mittlerweile sitzt er im Rollstuhl. Der Text ist eine Mischung aus Selbstreflexion, Alltagsbeschreibung, philosophischen Erkundungen und Autobiografie. Und er ist erstaunlicherweise immer wieder durchsetzt von einem beißenden Humor, der sich abwechselt mit Sarkasmus, Zorn und Erkenntnisdrang. Kuhlbrodt erhielt für einen Auszug aus „Krüppelpassion“ in diesem Jahr den Alfred Döblin-Preis.
Oft liegen die Komik und das Erschreckende ganz dicht beisammen. Beispielsweise gleich zu Beginn, wenn Kuhlbrodt in aller Lakonie konstatiert: „Es wird etwas schwerer, / aber man gewöhnt sich, dann geht’s wieder / und es wird etwas schwerer, man gewöhnt sich / dann geht’s wieder, es wird schwerer / es wird schwerer/dann geht’s.“ Also geht’s noch? Ja. Aber wie? Wie geht ein Mensch, dessen körperlicher Verfall und Schmerz unabwendbar ist, damit um? Mit der eigenen Erwartung, aber auch mit den gewohnheitsmäßigen Diskriminierungen?
Kuhlbrodts Lebensanker sind die Lektüren. Wenn er über Hässlichkeit nachdenkt, landet er bei Sokrates und bei Nietzsche. Die Bücher, so schreibt Kuhlbrodt es einmal, stapeln sich um seine Krankheit. Bei Kierkegaard findet er Gedanken über die ewige Jugend. Und wenn man den Glauben daran verloren hat? Bleibt die Verzweiflung. Sein zukünftiges Sterben, so drückt Kuhlbrodt es aus, enthalte einen Moment der Erinnerung an das Leben davor. Das ist der Zustand, den „Krüppelpassion“ festhält.