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Ilya Kaminsky: Republik der Taubheit

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Im Jahr 2019 kürte die BBC Ilya Kaminsky zu einem der zwölf Künstler des Jahres, die laut des Senders mit ihrer Arbeit die Welt verändert hätten. Darüber lässt sich schwerlich streiten, denn jeder hat seine eigene Welt. Unbestritten ist jedoch, dass Kaminsky mit seinen Gedichten eine Perspektive eröffnet, die es sonst so nicht gibt.

Kaminsky wurde 1977 im ukrainischen Odessa geboren. 1993 zog seine Familie in die USA, wo sie politisches Asyl erhielt; ein Jahr später begann Kaminsky, Gedichte in englischer Sprache zu verfassen. Nach einer Mumpserkrankung wurde Kaminsky im Alter von vier Jahren schwerhörig.

So erklärt sich der Titel seines zweiten, im Original 2019 erschienenen Gedichtbandes „Republik der Taubheit“, den die Schriftstellerin Anja Kampmann ins Deutsche übertragen hat und für den Kaminsky im Jahr 2020 mit dem Literaturpreis der Los Angeles Times bedacht wurde. „Republik der Taubheit“ ist ein erzählendes Gedicht mit Handlung, dem aber, aus heutiger Sicht geradezu prophetisch, die Zeilen „Wir lebten glücklich während des Krieges“ vorangestellt sind.

Das Wir ist ein Chor; die Einwohner der Stadt Vasenka, die von Besatzern okkupiert ist. Als ein tauber Junge auf offener Straße von einem Soldaten erschossen wird, organisieren die Bewohner den Widerstand – indem sie sich von nun an nur noch in Gebärdensprache verständigen. „NIEMAND KANN EUCH HÖREN“, das ist die Botschaft, geschrieben mit Kreide an die Tore der Soldatenbaracken. Sprache ist Macht, nicht nur in diesem Buch.

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Autor/in
SWR