Dinçer Güçyeter, geboren 1979, ist eine vielseitige Begabung. Er machte eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, hat als Schauspieler am Theater gearbeitet, gründete 2012 den Elif Verlags für Lyrik und ist darüber hinaus und vor allem selbst ein Lyriker von Format. Sein neuer Gedichtband ist Selbstbefragung und Dialog zugleich.
Das Ich, das hier spricht, begibt sich auf die Spuren seiner Herkunft, seiner Prägung, seiner Sprache, die nicht nur eine ist und sich aus unterschiedlichen Quellen speist: „im Jahr 1983, Deutschland“, so heißt das erste Gedicht und es zeigt die Mutter:
müde sitzt sie am Küchentisch
ihre Schultern hängen wie eine Seilbrücke
zwischen zwei entschwundenen Heimaten
entfernt die Fäden der grünen Bohnen
als sie meinen Atem im Nacken spürt, murmelt sie
diese blöden Fäden sind wie Lederriemen
Schon in diesem Auftakt klingen zentrale Motive an, die Güçyeter dann weiter ausführt. Es ist die Brücke zwischen Anatolien, woher die Eltern kommen, und dem Rheinland, wo der Sohn geboren wird.
Die Gedichte werden im zweiten Teil zunehmend politisch, richten das Wort an das Land, in dem der Autor geboren wurde, das sich ihm aber entzieht und verschließt. In der Sprache, in der Zertrümmerung der alten Bedeutungen, in ihrer Neuschöpfung, in der Neuzusammensetzung liegt eine Chance. Es geht nicht darum, Herr über die Worte zu werden. Es geht darum, sie zum Klingen zu bringen und Bögen zu spannen. Auch wenn das manchmal ein desillusionierender Prozess sein kann:
Deutschland, ich denke an dich und erschrecke mich jedes Mal. ich glaube nicht mehr an den Geist, den du uns bei jeder Gelegenheit mit blendenden Bühnenbildern aufgeführt hast.