27 Jahre lang war Michael Krüger Leiter des Hanser Verlags, und er gehört zu jenen Verlegern, die sich die Bezeichnung „legendär“ verdient haben. Doch Krüger ist stets auch Schriftsteller geblieben, sogar eines jener raren Exemplare, die die Gattungsgrenzen sprengen und in der Lyrik gleichermaßen zuhause sind wie in der Prosa.
„Grenze“ ist auch ein gutes Stichwort für das neue Buch, in dem Krüger, der im geteilten Berlin aufgewachsen ist, seine Idee von Europa ebenso formuliert wie seine Enttäuschungen über die Wiedererstarkung nationalistischer Kräfte. Von Ende 2017 bis Anfang 2019 ist Krüger gereist. Seine Gedichte tragen die Titel seiner Stationen „Zagreb“, „Fellbach“ oder „Wangen im Allgäu“, und er begibt sich auch auf die Spuren seiner literarischen Hausgötter; Mörike, W.G. Sebald. Krügers Poeme sind eindeutig die Texte eines gereiften Bewusstseins. Hier nimmt auch einer auf seine Weise Abschied. Eine scheinbar nebensächliche Begebenheit wird zum Anlass existentieller Überlegungen. Die Betrachtung von Möwen im Hafen, die Beobachtung einer hinkenden Katze – und schon sind wir beim Gedanken über Gott und Gottessuche.
„Das Ende der Geschichte“, so schreibt Krüger auf Korsika, „kann beginnen.“ Währenddessen betrachtet er eine Mistgabel, die die Traurigkeit wegschaffen soll. Zumindest diese Texte spenden Trost.