Eine Ästhetik, die Türen schließt und Herzen öffnet
Mit „The Room Next Door“ gelingt Pedro Almodóvar ein Werk, das in seiner Bildsprache ebenso beeindruckend ist wie in seiner thematischen Tiefe. Der inhaltliche Wendepunkt ist erreicht, wenn die Türe mit dem auffälligen Rot in diesem Haus, mitten im Wald, das aussieht wie ein Museum für moderne Kunst nach Sonnenaufgang geschlossen bleibt. Das ist das Zeichen, dass sich die Protagonistin in dieser Nacht dazu entschlossen hat, ihr Leben zu beenden.
Auf diesen Moment, arbeitet Pedro Almodóvar kontinuierlich hin, umgarnt ihn mit stilisierten Bildwelten, mit klaren Linien, kräftigen Farben, ausgefeilt und wohlüberlegt bis zur letzten Extravaganz. Ein Film, der jeden Kinosaal erstrahlt und allen das Sterben ein kleines bisschen verdaulicher macht.
Diese Ästhetik macht das Sterben nicht nur erträglich, sondern nahezu erhaben. Almodóvar schafft es, den Tod als künstlerischen Prozess darzustellen, ohne dabei die Schwere des Themas zu verleugnen.
Eine Geschichte, die berührt und nachhallt
Der Film, der beim Filmfestival von Venedig den „Goldenen Löwen“ gewann, ist Almodóvars erster englischsprachiger Spielfilm und adaptiert den Roman „Was fehlt dir?“ von Sigrid Nunez.
Er erzählt die Geschichte von Martha (Tilda Swinton), einer unheilbar an Krebs erkrankten Frau, die entscheidet, ihr Leben selbstbestimmt zu beenden, und ihrer Freundin Ingrid (Julianne Moore), die ihr dabei zur Seite steht. Beeindruckend, wie Martha sich entschieden hat, den Verlauf ihrer letzten Tage selbst zu gestalten – mit Klarheit, Würde und einer Todespille aus den dunklen Ecken des Internets.
Selbstbestimmung als mutige Entscheidung
Es ist ein eindringlicher Film über den Mut, das eigene Leben bis zum Ende selbst zu gestalten. Ein zentrales Thema darin: die Selbstbestimmung. Auch eine weibliche Selbstbestimmung.
Der Film setzt sich subtil mit ethischen Fragen zur Sterbehilfe auseinander und lädt dazu ein, über individuelle Freiheit und Verantwortung nachzudenken. Dabei verzichtet Almodóvar auf moralische Bewertungen, sondern zeigt die Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit seiner Figuren. Zudem liefert der Film Humor und Leichtigkeit und damit ein Gegengewicht zur Schwere des Themas und ein Plädoyer für die Schönheit des Moments.
Eine poetische Hommage an das Leben
Ihre Gespräche über Literatur, Erinnerungen und gemeinsame Erlebnisse schaffen einen emotionalen Raum, in dem der Tod als Teil des Lebens verhandelt wird.
„Der Schnee fiel herab, schwebte lautlos durch das Universum, und lautlos fiel er auf all die Lebenden und Toten.“ Diese berühmte Schlusspassage von James Joyce’ „Die Toten“ wiederholt sich im Film mantraartig. Dazu rieselt, ganz Almodóvar, der Schnee lila.
„The Room Next Door“ ist ein intimes Kammerspiel und eine poetische Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens und den kleinen Momenten, die es lebenswert machen. Absolut sehenswert!