Fan-Kultur

Mehr Nerds braucht diese Welt! Der Siegeszug eines Sonderlings

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Wer den Begriff „Nerd“ hört, der denkt unweigerlich an „The Big Bang Theory“: hochintelligente, verschrobene Mannkinder mit Hang zu Comics, Games und PCs. Doch Nerd-Kultur ist viel mehr, sagt unser Autor, selbst stolzer Nerd. Es ist eine Bewegung, die die Liebe zu guten Geschichten und deren kreativem Ausdruck feiert, so auch am 25. und 26. März auf der ersten „Proud Nerd Convention“ in Trier.

Cosplayer als Elsa („Die Eiskönigin“) und Deadpool auf der Gamescom 2022
Einmal der Held der Lieblingsserie sein: Besonders beliebt unter Convention-Besucher*innen ist Cosplay. In wochenlanger Handarbeit produzieren Cosplayer*innen möglichst detailgetreue Nachbildungen der Outfits ihrer Lieblingsfiguren, etwa Eiskönigin Elsa oder Superheld Deadpool.

Vom Loser zum Träumer: Daher kommt der Begriff „Nerd“

Sonderling oder Schwachkopf. Das findet man im Englisch-Wörterbuch, wenn man den Begriff „nerd“ nachschlägt. Spätestens in den 1980er-Jahren setzt sich der Begriff an amerikanischen Highschools durch. Er bezeichnet eine besondere Klasse von Schülern: hochintelligent, sozial unbeholfen, eigenbrötlerisch und mit einem Hang zu Computern, Comics und Science-Fiction.

Was ursprünglich beleidigend gemeint ist, wird ab den späten 1990er-Jahren, dank dem Internet und der Möglichkeit, sich in Foren und Newschats besser zu vernetzen, zum positiv besetzten Kampfbegriff. Heute bezeichnen sich Fans von Comics, Manga und Anime, Games, Science-Fiction und Fantasy ganz selbstverständlich und stolz als Nerds.

The Big Bang Theory: Schauspieler Simon Helberg, Jim Parsons, Johnny Galecki und Kunal Nayyar
„The Big Bang Theory“ machte Nerdtum massentauglich: Sheldon Cooper (Jim Parsons, 2. v.l.) ist Doktor der Physik, im Umgang mit Menschen völlig unbeholfen und liebt Comics und Videospiele über alle Massen.

Lange Zeit galten Cosplayer, Comic-Leser und Gamer als spleenige Sonderlinge, die mit ihren Lieblingsthemen im Kinderzimmer hängen geblieben sind. Dabei setzen sich Nerds mit den geliebten Welten ihrer Lieblingsserien, -filme und -bücher bis ins kleinste Details auseinander – und spinnen fort, wo das Original nicht weitergeht. Nerd sein, das bedeutet Mut zum Anderssein.

SWR Aktuell berichtet von der „Proud Nerd Convention“ in Trier

Der Umgang mit den geliebten Werken ist individuell

Die moderne Nerd-Kultur ist unheimlich vielfältig. Manche Nerds studieren das Objekt ihrer Liebe regelrecht: Sie sammeln in Online-Enzyklopädien jedes noch so kleine Detail über ihren Lieblingsfilm, beleuchten die Biografie der Lieblingsfigur unter verschiedensten Aspekten oder verschlingen das gesamte Œuvre des liebsten Autors vom ersten bis zum letzten Buchstaben.

Andere Nerds gehen einen Schritt weiter und werden selbst zum Autor neuer Inhalte: „Fan-Fiction“ nennt man es, wenn Fans die Handlung ihrer Lieblingsgeschichte in eigenen Texten weiterschreiben oder ihre Lieblingsfiguren aus verschiedenen Serien gemeinsam neue Abenteuer erleben lassen.

Nicht selten entstehen aus Fan-Geschichten neue Werke: so wie im Fall der berühmt-berüchtigten Buchreihe „50 Shades of Grey“. Auf Fan-Fiction-Webseiten veröffentlichte Autorin E. L. James eine Erotik-Fanfiction auf die Vampirsaga „Twilight“ (deutsch: „Bis(s) zum Morgengrauen“), die sie später mit geänderten Namen und ohne Vampire als eigenständige Romane herausbrachte.

Proud Nerd Convention in Trier. Figuren aus der Star Wars Serie "The Mandalorian". Die Gruppe kommt aus Greimerath bei Wittlich.
Figuren aus der Star Wars Serie "The Mandalorian": Die Gruppe kommt aus Greimerath bei Wittlich. Dort haben sie sogar einen Stammtisch gegründet. Die Kostüme sind natürlich selbstgemacht, teilweise mit einem 3D-Drucker. Manche sind so aufwendig, dass es bis zur Fertigstellung schon mal vier Monate gedauert hat. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Die kleine "Mandalorianerin" bestaunt einen Baby-Dino aus Jurassic Park.
Die kleine "Mandalorianerin" bestaunt einen Baby-Dino aus Jurassic Park. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Zwei Besucher sind als Jinx aus dem Computerspiel "League of Legends" unterwegs. Luisa (links) hat mit ihrem Kostüm den zweiten Platz beim Cosplay-Contest gewonnen.
Luisa und Tom sind als Jinx aus dem Computerspiel "League of Legends" unterwegs. Luisa (links) hat mit ihrem Kostüm den zweiten Platz beim Cosplay-Contest gewonnen. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Cosplayer wie Luisa legen großen Wert auf Details.
Cosplayer wie Luisa legen großen Wert auf Details. Wie zum Beispiel auf die rosafarbenen Augen, die ihr Charakter aus "League of Legends" hat. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Die dargestellten Charaktere entstammen Serien oder Filmen. Die meisten Kostüme sind selbst gestaltet. Rund 1.000 Cosplayer tummeln sich auf der Proud Nerd Convention in Trier.
Die dargestellten Charaktere entstammen Serien oder Filmen. Die meisten Kostüme sind selbst gestaltet. Rund 1.000 Cosplayer tummeln sich auf der Proud Nerd Convention in Trier. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Diese beiden Mädchen sind Charaktere aus dem Spiel "Genshin Impact". Cosplay ist ein Trend, der vor allem junge Menschen begeistert.
Diese beiden Mädchen sind Charaktere aus dem Spiel "Genshin Impact". Cosplay ist ein Trend, der vor allem junge Menschen begeistert. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Mirko Raber ist ein Cosplayer aus Trier. Er ist als Project Master Yi aus "League of Legends" verkleidet. Er ist schon seit vier Jahren ein Cosplayer.
Mirko Raber ist ein Cosplayer aus Trier. Er ist als Project Master Yi aus "League of Legends" verkleidet. Er ist schon seit vier Jahren ein Cosplayer. Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Auch einige Serienstars sind zur Proud Nerd Convention in Trier gekommen. Hier stellt sich Schauspieler Wladimir Furdik (links) den Fragen der Besucher. Furdik spielt den Nachtkönig aus der Serie "Game of Thrones".
Auch einige Serienstars sind zur Proud Nerd Convention in Trier gekommen. Hier stellt sich Schauspieler Wladimir Furdik (links) den Fragen der Besucher. Furdik spielt den Nachtkönig aus der Serie "Game of Thrones". Bild in Detailansicht öffnen
Proud Nerd Convention in Trier. Melanie Wery-Sims ist die Initiatorin und Organisatorin der ersten Proud Nerd Convention in der Stadt.
Melanie Wery-Sims ist die Initiatorin und Organisatorin der ersten Proud Nerd Convention in Trier. "Es ist egal, ob Du Manager bist oder Müllmann. Auf einer Convention sind alle gleich. Du kannst ein Bösewicht sein, du kannst ein Superheld sein. Ich denke, das ist das Besondere." Bild in Detailansicht öffnen

Conventions: Wo Nerds ihr Anderssein feiern

Nirgends kann man Nerd-Kultur so in Reinkultur erleben wie auf Conventions. Hier treffen Fans auf die Menschen hinter ihren Lieblingsserien: In Panels diskutieren sie mit Schauspielerinnen und Synchronsprechern, Regisseuren und Autorinnen, Zeichnerinnen und Game-Designern.

Auf der Bühne performen Musiker*innen, Theater- und Tanzgruppen spielen Programme nach ihren Lieblingswerken, Künstler*innen laden zu Kreativ-Workshops ein und in Game-Rooms können Fans von Video- und Brettspielen sich zum Zocken verabreden. Das Wichtigste aber bleibt das Treffen und der Austausch mit Gleichgesinnten, die die eigene Leidenschaft teilen.

Autor Dominic Konrad (Tuxedo Mask) und Stefanie Kienast (Sailor Moon) , Connichi 2011
Der Autor dieses Artikels war selbst viele Jahre auf Conventions unterwegs und trat mit der Theatergruppe „Yume“ auf: als Tuxedo Mask, der Mann an der Seite von Manga-Heldin „Sailor Moon“.

Es braucht mehr Mut zum Nicht-Erwachsen-Werden!

Braucht es nicht mehr von ihnen? Mehr stolze Nerds, die sich bewusst dagegen entscheiden, erwachsen zu werden? Mehr Menschen, die ihre Fantasie, ihr Talent und ihren Wissensdurst auf das lenken, für das ihr Herz brennt und die dadurch selbst zum kreativen Sender werden?

Von Künstler*innen sagt man gerne, sie hätten es geschafft, ihr inneres Kind zu bewahren und nicht anders ist es bei Nerds. Wer jemals eine Convention von innen erlebt hat, der weiß, welches kreative Potential und welche mitreißende Energie in den Nerds schlummert, den „sonderbaren Schwachköpfen“ aus dem Englischbuch.

Conventions im Sendegebiet

Europas größter Comic-Salon wird 50 Festival d’Angoulême: Internationale Comic-Highlights an einem Ort

Internationalen Trends und künstlerisch beachtliche Entdeckungen auf einem Fleck: Zehntausende Besucher*innen aus aller Welt werden erwartet, wenn am 26. Januar in der westfranzösischen Stadt Angoulême das Internationale Comic-Festival zum 50. Mal seine Pforten öffnet. Die wichtigsten Neuerscheinungen im Überblick.

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik