Die ganze Welt kennt das Kolosseum, Heimat der Gladiatoren, ein Symbol für Macht und Reichtum, der Stolz einer ganzen Stadt, Besuchermagnet, Weltkulturerbe – und aktuell Schauplatz eines Kampfes zwischen Kommerz und Kultur.
1,5 Millionen Dollar will die globale Reiseplattform Airbnb dem Archäologischen Park des Kolosseums (PArCo) zur Verfügung stellen und im Gegenzug an zwei Abenden ein Gladiatorenevent stattfinden lassen. Es wären die ersten Gladiatorenkämpfe seit dem Verbot durch Kaiser Honorius im Jahr 404 n. Chr.
„Wir sind nicht in Disneyland, wir sind in Rom”
Der Aufschrei ist riesig. Einige Kritiker haben Bedenken, dass solche Events den kulturellen Wert des Kolosseums untergraben könnten und das historische Erbe für Marketingzwecke instrumentalisiert wird.
Mit der Ankündigung der Initiative hat das Unternehmen sogar „das Römische Reich für sich beansprucht“ und in sozialen Netzwerken gepostet: „This is our Roman Empire“, begleitet von einem Video, das die zukünftigen Erlebnisse der Gladiatorenanwärter zeigt.
„Es ist unglaublich, dass überhaupt über einen Vorschlag nachgedacht wird, Touristen in der Arena des Kolosseums kämpfen zu lassen“, sagt Enzo Foschi, Generalsekretär der PD Rom gegenüber der Gazzetta del Sud, „ein Werbegag von Airbnb, das nach der Übernahme des historischen Zentrums, das vollständig verfremdet und in einen riesigen Tourismuspark verwandelt wurde, nun das Kolosseum lächerlich machen will”
Marketingziel ist ein bewussterer Tourismus
Ziel der Airbnb-Veranstaltung sei, ein Zeichen für bewussteren Tourismus zu setzen. 16 Airbnb-Touristen können sich für eine Auslosung registrieren und im Mai 2025 für drei Stunden in die Rolle kämpfender Gladiatoren schlüpfen. Doch es stellt sich die Frage, ob solche inszenierten Events tatsächlich zum Verständnis der römischen Geschichte beitragen, oder diese trivialisieren.
Die Veranstaltung ist ein PR-Event rund um den Kinostart des Films „Gladiator II” und könnte den Fokus von der kulturellen Bedeutung des Kolosseums auf reine Unterhaltung verschieben.
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Das Kolosseum als lebendiges Monument
Es ist ein zweischneidiges Schwert. Trotz der Kritik verteidigt die Verwaltung des Kolosseums die Aktion als Möglichkeit, das historische und kulturelle Erbe aufzuwerten und gleichzeitig Mittel für Restaurierungsarbeiten zu gewinnen. Der museale Rundgang der Dauerausstellung soll so modernisiert werden.
Alfonsina Russo, die Leiterin des archäologischen Parks Kolosseum, betont, dass solche Kooperationen dazu beitragen, das Kolosseum zu erhalten. Diese Spende ist Teil eines größeren Engagements von Airbnb. Der Konzern hat insgesamt über 10 Millionen US-Dollar bereitgestellt für ein Programm zur „Wiederbelebung des Tourismus in Europa“.
Auch Rom ächzt unter dem Massentourismus
Viele Römer sehen in dem Event zudem einen Widerspruch zum Versprechen, etwas gegen den Massentourismus zu unternehmen. Das Kolosseum zieht bereits ohne solche Sonderveranstaltungen jährlich etwa sieben Millionen Touristen an. Es ist die meistbesuchte Attraktion des Landes und Sinnbild für den Massentourismus.
Zusätzliche Attraktionen wie diese könnten den Übertourismus in Rom weiter verstärken, zumal der Vatikan 2025 auch noch als „Heiliges Jahr“ ausgerufen hat und dadurch mehr als 40 Millionen Gäste erwartet werden. Traumzahlen für Wohnungsvermittlungen wie Airbnb, ein Graus für die drei Millionen Römerinnen und Römer.
Im modernen Rom kämpft die Menschen um Wohnraum
Für viele von ihnen steht die Arena hier als Metapher für den Wohnungsmarkt. Der Kampf um Wohnraum gleicht dem Gladiatorenspiel: Wenige kämpfen um das Recht, zu bleiben, während die Masse zusieht. Airbnb agiert dabei wie ein mächtiger Herausforderer. Die Römer, die seit Generationen im historischen Zentrum leben, werden aus ihren Wohnungen verdrängt, weil die Immobilienmärkte auf kurzfristige Renditen ausgerichtet sind.
Im antiken Rom lenkten Gladiatorenspiele, inszeniert vom Kaiser, das Volk von den Missständen ab und befriedigten seine Sensationsgier. Die Parallelen sind nicht zu verkennen. Heute sind es multinationale Unternehmen wie Airbnb, die diese Dynamik neu aufleben lassen. Sie laden ein, die Gladiatorenerfahrung in der Arena zu erleben, während sie im Hintergrund an der Substanz der Stadt nagen.
Ausgerechnet Airbnb
Bürgerinitiativen und Anwohnervereinigungen protestieren vehement gegen die Aktion. Die Associazione Abitanti Centro Storico nennt es „beschämend“, wie man diejenigen einbindet, „die dazu beitragen, Geschichte und Leben der Leute zu zerstören“.
Denn der wahre Kampf findet nicht in der Arena statt, sondern in den umliegenden Vierteln, wo die einst lebendigen Straßen des historischen Zentrums durch Massentourismus, Gentrifizierung und explodierende Mieten entvölkert werden.
Alberto Campailla, Koordinator der gemeinnützigen Organisation Nonna Roma, bezeichnet die Zusammenarbeit als „eine Schande“ und „Touristifizierung“, wie AP berichtet und verweist auf die negativen Auswirkungen von Airbnb auf den Wohnungsmarkt. Die Römer selbst werden zu Statisten in einem Spiel, dessen Regeln nicht von ihnen gemacht werden.
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Forderungen mehren sich auf das Spektakel zu verzichten
Um den Protest der Bürger noch stärker zu machen, hat der Stadtrat und Vorsitzende der Jubiläumskommission, Dario Nanni, beschlossen, eine Petition auf change.org zu starten. Unter dem Titel „Das Kolosseum ist kein Vergnügungspark“ fordert diese, das Abkommen zwischen Airbnb und dem Archäologischen Park zu stoppen.
Roms Stadtrat für Kultur, Massimiliano Smeriglio sagte: „Es wäre ein starkes Signal, wenn Airbnb die Finanzierung im Sinne von Verantwortlichkeit und sozialer Unternehmensverantwortung bereitstellen würde, ohne eine Gegenleistung zu verlangen“. Auch der sozialdemokratische Bürgermeister Roberto Gualtieri forderte einen Stopp der geplanten Aktion.
Mögen die Spiele beginnen!
Vielleicht aber auch ist die Rückkehr der Gladiatoren in das Kolosseum ein notwendiges Schauspiel, um uns die Dringlichkeit der Wohnungsnot vor Augen zu führen: In den Vierteln wird um das Überleben gekämpft, eine Schlacht um bezahlbaren Wohnraum.
Die Innenstadt ist selbst zur Arena geworden, in der es für Römerinnen und Römer gilt, den städtischen Raum wieder zurückzuerobern.