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Muss der Staat lokale Medien retten?

Kampf um Werbekunden und gegen Einflussnahme von rechts: Es brennt im Lokaljournalismus

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Autor/in
Julian Burmeister
Julian Burmeister
Onlinefassung
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Bei den lokalen Medien ist mancherorts schon nichts mehr, wie es früher war: Gerade in Ostdeutschland machen flächendeckend die Redaktionen von lokalen Tageszeitungen dicht. Damit einher geht der Verlust von öffentlichem Diskurs.

Stirbt der Lokaljournalismus im Zeitalter der Online-Plattformen?

„Das Tragische mit dem Lokaljournalismus ist, dass seine Relevanz und Bedeutung sich leider häufig erst dann so richtig zeigt, wenn er nicht mehr vorhanden ist“, sagt Prof. Dr. Christopher Buschow von der Hamburg Media School in der aktuellen Ausgabe des SWR Podcasts „Was geht - was bleibt?“ und bringt damit das große Problem auf den Punkt.

Das Smartphone-Zeitalter bedeutete für die Print-Medien den Zusammenbruch: Junge Menschen konsumieren Informationen heute meistens gratis über Portale wie TikTok oder YouTube. Sie lesen Emojis mittlerweile oft flüssiger als gedrucktes Wort. Warum also für lokalen Journalismus noch bezahlen?

Zumal die meisten klassischen Regionalthemen wie Kommunalpolitik und Vereinsleben an ihrer Lebenswelt vorbeigehen, insbesondere im Osten der Republik, wo die dünne Besiedlung auch die Erreichbarkeit der wenigen verbleibenden Abonnenten erschwert. Wo früher die Zeitung an jedem Haus in den Briefkasten geworfen wurde, sind es jetzt vielleicht noch eine Handvoll Exemplare im ganzen Ort.

Das Resultat: Ehemals große Blätter wie die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung müssen fusionieren, die Ostthüringer Zeitung und die Märkische Allgemeine sind teils nur noch digital verfügbar.

Zeitungen und Zeitschriften an einem Kiosk in Dresden am 18.7.2009. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer prägen Nachwirkungen der Strukturen von einst - eine Monopolzeitung je Verbreitungsgebiet - immer noch die Zeitungslandschaft in den neuen Bundesländern
Bilder aus einfacheren Zeiten: Heute ist der Osten der Republik besonders betroffen von der Krise der regionalen Zeitungen ist. Die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung legen ihre Redaktionen zusammen, während die Ostthüringer Zeitung und die Märkische Allgemeine in einigen Regionen nur noch als digitale Ausgabe erscheinen.

Die Politik sieht machtlos zu, wie demokratischer Diskurs verschwindet

Das hat im Zusammenwirken mit der Regionalisierung im Internet dafür gesorgt, dass den Zeitungen die Anzeigenkunden im großen Stil weggebrochen sind. Der freie Markt regelt auch in diesem Fall gnadenlos, zugunsten von Anzeigenplattformen im Netz und in den Sozialen Medien.

Leidtragende beim Verschwinden des Lokaljournalismus sind die Menschen, die sich vor Ort engagieren, denn ihre Leistungen werden weniger gewürdigt oder überhaupt wahrgenommen werden. Bürger wissen schlicht oft nicht mehr, was bei ihnen vor Ort los ist und regen sich dann umso mehr auf, wenn sie plötzlich selbst betroffen sind.

Platz bleibt für diejenigen mit Agenda

Die Schuld suchen sie letztlich bei der Politik, die kommunal allermeistens ehrenamtlich gemacht wird. Bürgermeister kleiner Gemeinden erhalten jedoch lediglich eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit. Mangelnde Anerkennung, der Umgang mit Hetze und Hass im Netz und die Probleme vor Ort führen auch bei den Lokalpolitikern zu Frustration und letztlich zu Kapitulation.

Der breiten Masse sind die Auswirkungen eines Wegfalls des Lokaljournalismus nicht bewusst. Die Lücke, die dieser hinterlässt, füllen mitunter kostenlose Kleinanzeigenblätter aus der Hand von AfD-Funktionären, wie das ZDF Magazin Royale vor kurzem aufdeckte:

Wie Rechtspopulisten die Krise des Lokaljournalismus’ ausnutzen | ZDF Magazin Royale

Sollte der Staat den Lokaljournalismus unterstützen?

Für den früheren Zeit-Chefredakteur Roger de Weck gibt es nur eine Chance, wie der Lokaljournalismus in Ost und West dauerhaft zu retten ist: mit einer Finanzierung durch den Staat. Für viele ein Tabu, denn ein staatlich geförderter Journalismus könne letztendlich kein unabhängiger Journalismus sein.

Die Gefahr sieht de Weck nicht zwingend. Im SWR-Podcast nennt er Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark als positive Beispiele, wie es funktionieren kann: „Die sind Spitze in der Rangliste der Medienfreiheit von Reporter ohne Grenzen. Und sie sind Spitze im Medienvertrauen.“

Dort werde der lokale Journalismus von staatlicher Seite bezuschusst: „Der übliche Einwand, wenn der Staat Medien unterstützt, falle die Staatsferne weg und die Medien könnten nicht mehr kritisch sein – der ist dort faktisch widerlegt.“ Man habe in den skandinavischen Ländern unabhängige Instanzen etabliert, die gemäß fester Regeln automatisch das Geld vergeben. „Und dann bleibt die Medienfreiheit oder sie wird sogar größer.“

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