Seit Menschen auf der Erde leben, gibt es Ein- und Auswanderung. Kriege, Hungersnöte und schlechte politische Systeme zwangen – und zwingen noch heute — Menschen aus ihrem Land auszuwandern. So kamen auch mein Vater und kurz danach meine Mutter Ende der 60er Jahre nach Deutschland. Bis heute leben sie in Ludwigshafen. Wegen der Familienzusammenführung folgten meine Schwestern und ich gegen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre unseren Eltern.
Meine poetische Welt
Ich brachte nur die türkische Sprache nach Deutschland mit. So begann ich Gedichte auf türkisch zu schreiben, die im Mai 1989 in deutscher Übersetzung veröffentlicht wurden.
In den folgenden Jahren beschäftigte ich mich intensiv mit der deutschen Sprache und entschied mich aus kulturellen Gründen nur auf Deutsch zu schreiben. 1994 erschien mein zweiter Lyrikband in zwei Sprachen, den ich auf Deutsch und Türkisch geschrieben hatte. Mein erster Sohn kam in dieser Zeit auf die Welt. Danach folgten mehrere Lyrikbände, wofür ich Stipendien und Preise erhielt. Dann 1999 die Geburt meines zweiten Sohnes.
Neben Lyrik schrieb ich auch Theaterstücke, die uraufgeführt wurden. Eines davon erhielt in Ludwigshafen am Rhein den Dramenpreis.
Zwei Dichter – zwei Welten – eine Gemeinsamkeit
In diesem Sinne denke ich an zwei Dichter, die innere und äußere Immigration erlebt hatten: Johann Wolfgang von Goethe und Nâzım Hikmet, deren Gedichte ich als meine kleinen Schätze bezeichne.“
Goethe war niemals im Orient gewesen, aber in seiner Lyriksammlung „West-östlicher Divan“ ist der Dichter in seiner Imagination ein Reisender in den Orient. Der Begriff „Hegire“ in der Lyriksammlung bedeutet „Emigration“ oder „Auswanderung“. Der Dichter ist erschöpft vom kriegerischen Europa. Er will in den Orient auswandern, um sich zu verjüngen. Kaum ist er im Orient, fühlt er sich wie zu Hause.
Auch Nâzım Hikmet, der sich als Weltbürger verstand und im Exil in Moskau starb, träumte immer von einem besseren Leben, egal wo der Mensch lebt.