Ein langer Weg bis zur Ehe für alle
Die Ehe für alle – also für Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann ist seit Oktober 2017 völlig rechtens in Deutschland. Bis dahin war es ein langer Weg durch Gesetze und Paragraphen. Einige davon mussten außer Kraft gesetzt werden – wie am 11. Juni 1994.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte damals im Deutschen Bundestag: „Das ist heute ein historischer Tag. Denn endlich kommen wir heute dazu, den historisch belasteten §175 StGB abzuschaffen. Ab jetzt gibt es nicht nur mehr Freiraum für homosexuelle Handlungen; der Staat macht auch deutlich, dass ihn gewaltfreie und einverständliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Fast-Erwachsenen nichts angehen.“
§ 175 Reichsgesetzbuch von 1871 machte Homosexualität unter Männern strafbar
Bis dahin war Homosexualität ein Verbrechen – gemäß § 175 Reichsgesetzbuch von 1871. Kommentar aus dem Gesetzbuch: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts (...) begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen.“
Bis 1918 wurden knapp 10.000 Homosexuelle verurteilt. Nach dem 1. Weltkrieg brach die wilhelminische Moral zusammen: Die Hauptstadt wurde zum El Dorado schwulen Lebens. Die Zeiten schienen rosig für die Szene – bis die Nazis an die Macht kamen.
Etwa 100.000 Homosexuelle wurden im Dritten Reich verschleppt, gefoltert, ermordet. Nach dem Krieg galt der §175 in der Bundesrepublik unverändert weiter. Noch bis Ende der 1960er Jahre wurden rund 50.000 Männer rechtskräftig verurteilt. In der Bundesrepublik wurde der Paragraf intensiver bemüht als noch zu Weimarer Zeiten.
Die Reform des Paragraphen von 1969 macht Homosexualität straffrei
Die große Wende kam erst 1969 mit der Reform des §175. Von nun an ist Homosexualität unter Erwachsenen straffrei. Zahlreiche homosexuelle Emanzipationsgruppen wurden gegründet. Und Beratungszentren halfen Schwulen – wie sie sich nun selbst nannten – neues Selbstbewusstsein aufzubauen.
Den Heterosexuellen halfen Aufklärungsfilme und friedliche Demonstrationen wie der Christopher Street Day bei der Akzeptanz der Schwulen – aber auch deren neue Offenheit: Offen schwule Politiker, zum Beispiel, gibt es mittlerweile in allen im Bundestag vertretenen Parteien.
Späte Rehabilitierung und lange Nachwirkungen
Es dauerte allerdings noch bis ins Jahr 2017, dass nach Paragraf 175 verurteilte Homosexuelle auch strafrechtlich rehabilitiert wurden: Erst seit Inkrafttretens des entsprechenden Gesetzes im Juli 2017 sind die zwischen 1945 und 1994 ergangenen Urteile offiziell aufgehoben und Menschen, die durch die betreffenden Gesetze und die Verfolgung in der BRD und DDR Schaden erlitten, können entschädigt werden.
In der Bundeswehr wurden Homosexuelle wiederum noch bis ins Jahr 2000 per Erlass systematisch benachteiligt — erst im Mai 2021 wurde im Bundestag ein Gesetz beschlossen, das auch ihnen Entschädigungen zugesteht.
Aber auch gesamtgesellschaftlich hat der § 175 noch Spuren hinterlassen – meint die bekannte Hamburger Drag-Queen Olivia Jones: „Es gibt immer noch Diskriminierung, Ausgrenzung, Mobbing und Gewalt gegen Schwule — wir sind noch nicht am Ende!“
Mehr zu Homosexualität
Gesellschaft #actout: Warum 185 Schauspieler*innen aus Film und Fernsehen jetzt gemeinsam ihr Coming-Out feiern
Ulrich Matthes ist dabei, Maren Kroymann und Ulrike Folkerts: 185 Schauspieler*innen aus Film, TV und Theater haben gemeinsam ihr Coming-out bekannt gegeben. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung sowie auf Instagram und Twitter unter dem Hashtag #actout bekennen sie sich erstmals offen als lesbisch, schwul, bi, trans, queer, inter oder non-binär. Sie stoßen eine überfällige Debatte an.
Zeitwort 10.12.1991: Rosa von Praunheim outet schwule Promis
„Ich wusste, das ist unanständig. Aber Kerkeling und Biolek haben später gesagt, dass sie befreit sind, dass das Versteckspiel vorbei ist“, sagte Rosa von Praunheim zu seinem Auftritt in der RTL-Talkshow „Der heiße Stuhl“. Vor laufender Kamera outete der Regisseur und Schwulenaktivist die beiden TV-Promis darin als homosexuell.
LGBTQ*
Leben | Diversity-Tag Neu denken! Warum Diversität ein Wagnis für alle ist
Wir sind viele: Menschen verschiedenster Herkunft, Religionen, sozialer Milieus, Behinderte, LGBTQ. Doch diese Vielheit spiegelt sich in Unternehmen und Kulturbetrieben nicht wider.