"Zwei Minuten": Die Kolumne zum Wochenende

Kolumne: Warten ist das halbe Leben

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Autor/in
Laura Koppenhöfer

Das Finanzamt Ulm braucht am längsten in ganz Baden-Württemberg für einen Steuerbescheid, fast 70 Tage. Na, und? Neben all der anderen Warterei fällt das kaum auf, findet Laura Koppenhöfer.

Ulm hat diese Woche eine Auszeichnung der verzichtbaren Art bekommen. Das dortige Finanzamt ist - tadaaaa - das langsamste von ganz Baden-Württemberg. Im Schnitt rund 70 Tage warten die Ulmerinnen und Ulmer nach Abgabe der Steuererklärung auf den Bescheid und damit auch auf ihr Geld, naja, oder eben die Nachzahlungsaufforderung. Was machen die denn da so lange in Ulm, könnte man fragen. Und ihnen raten: Holt euch mal ein paar Tipps von den Kollegen im Kraichgau – in Sinsheim brauchen sie gerade mal halb so lang pro Steuerbescheid!

Die Kolumne von Laura Koppenhöfer können Sie hier auch als Audio hören:

Was sind schon 70 Tage?

Das könnte man fragen, wenn einen diese 70 Tage wundern, gar aufregen würden. Man könnte aber auch fair bleiben und finden, dass das Ulmer Finanzamt auch nicht anders oder schlechter ist als alle anderen Stellen, von denen wir wehrlosen Privatmenschen irgendetwas wollen. 70 Tage wartet man locker, bis die Versicherung nach einer Autopanne die Auslagen erstattet. Oder nach einem Wasserschaden die Reparaturkosten freigibt. Und dann nochmal so lange, bis der Parkettverleger Zeit hat.

Laura Koppenhöfer
Eine Kolumne von Laura Koppenhöfer

Am längsten wartet man übrigens auf Dachdecker. Laut einer Umfrage unter Betrieben im vergangenen Jahr fast 130 Tage, vom 70-Tage-Turbo im Ulmer Finanzamt können Leute mit maroden Ziegeln also nur träumen. Mit noch längeren Warte-Werten ist zu rechnen, wenn die Physiotherapeutin den steifen Arm begutachtet und dann “Schultergeschichten brauchen Zeit” sagt. Wenn der Hausarzt in Rente geht und man einen neuen sucht. Die Firmensoftware ständig hängt und die neue “ganz bald” aufgespielt wird.

Warten auf Licht, Wärme – und das Ende der Seuchensaison

Gefühlt unser halbes Leben verbringen wir mit Warten. Auf Rückrufe oder Rückzahlungen. Auf gerade nicht lieferbare Ware, das Ende der To-do-Liste und – natürlich – die Bahn. Darauf, dass ER oder SIE sich endlich meldet und der Müllcontainer endlich geleert wird. Auf Kita-, Hort- oder Schwimmkursplätze. Zurzeit warten Eltern aber vor allem auf eins: Auf das Ende der Seuchensaison – gemeinsam mit dem ausgelaugten Kita-Personal und das seit Herbstbeginn vor rund 130 Tagen.

Auf den Frühling warten doch eigentlich alle spätestens seit Neujahr – macht 40 Tage –, auf Licht, Wärme und neue Energie, zum Beispiel um die nächste Steuererklärung anzufangen. Die Finanzämter können es kaum erwarten, uns warten zu lassen.

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