Rechtsanspruch für Grundschüler ab 2026

"Das ist Murks!" So belastet der Anspruch auf Ganztagsbetreuung die Städte in RLP

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch

Für die Kommunen in Rheinland-Pfalz ist es ein Wettlauf mit der Zeit. 2026 beginnt der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder. Viele Städte im Land fühlen sich überfordert.

Der Zeitdruck ist hoch für die Städte und Gemeinden im Land. Ab August 2026 besteht für alle Erstklässler Anspruch auf Ganztagsbetreuung. In den folgenden Jahren wird der Anspruch ausgeweitet, bis er ab August 2029 für jedes Grundschulkind der Klassen eins bis vier gilt.

Das bedeutet, die Kinder müssen, wenn die Eltern das wollen, von Montag bis Freitag jeweils acht Stunden pro Tag betreut werden, inklusive Verpflegung am Mittag. Die Betreuung muss darüber hinaus auch in den Schulferien sichergestellt werden. Nur 20 Ferientage können davon ausgenommen werden.

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Viele Schulen in Rheinland-Pfalz verfügten aber über keine Mensen oder Aufenthaltsräume, stellt der Städtetag klar. "Die Städte müssten als Schulträger nun hohe Investitionen leisten", um in den Schulen entsprechende Möglichkeiten zu schaffen. Um dafür Fördermittel des Bundes zu bekommen, seien knappe Fristen einzuhalten, so der Städtetag.

Auf die Städte in RLP kommen Kosten in Millionenhöhe zu

In Neustadt an der Weinstraße etwa gibt es zwölf Grundschulen. Neun Schulen in der Stadt müssten bis zum Beginn des Rechtsanspruchs in zwei Jahren noch nachgerüstet oder umgebaut werden, um dort adäquate Ganztagsbetreuung anbieten zu können, berichtet Oberbürgermeister Marc Weigel (FWG) im Gespräch mit dem SWR.

In sieben Fällen versuche man dies mit Hilfe des Förderprogramms des Bundes zu realisieren. Bei zwei Schulen haben "wir es aufgegeben, weil wir das zeitlich und finanziell" nicht umsetzen können, so Weigel. Für Investitionen in die betreffenden Schulen habe die Stadt nach heutigem Stand insgesamt etwas mehr als eine Million Euro Eigenanteil veranschlagt.

Die Stadt miete aber auch Räumlichkeiten außerhalb der Schulen für Betreuungszwecke an, weil An- oder Umbauten zum Teil nicht möglich seien. Um dem Platzmangel zu begegnen, seien auch kreative Lösungen an den Schulen gefragt, beispielsweise eine Hausmeisterwohnung zu einem Essensraum umzubauen.

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Land will kein Geld für Ganztagsbetreuung beisteuern

Ein großes Problem für die Kommunen: Der Bund übernimmt zwar 70 Prozent der Investitionskosten über das Förderprogramm, um Ganztagsbetreuung zu ermöglichen. Die Städte und Gemeinden müssen jedoch die übrigen 30 Prozent der Kosten selbst aufbringen. Die Investitionen müssen zudem bis 2028 umgesetzt und abgerechnet sein, um Förderung zu bekommen.

Der Städtetag hat deshalb bereits Alarm geschlagen. Er fordert mehr Unterstützung durch das Land Rheinland-Pfalz für die Umsetzung der Ganztagsbetreuung. Das Land müsse sich unter anderem dafür einsetzen, dass die Fristen für die Förderung verlängert werden. Auch finanziell solle es sich beteiligen, beziehungsweise den Kommunen den Kostenanteil von 30 Prozent abnehmen. Das Land selbst steuert bisher kein Geld bei.

Ministerium: Betreuung auch in Horten und Tagespflege möglich

Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium verweist darauf, dass das Land seit 2002 schon über 1,8 Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung gestellt habe. Und das Ministerium stellt klar, dass die Kommunen die Betreuung von Grundschulkindern auch außerhalb der Schulen organisieren können, etwa in Horten oder über Kindestagespflege.

Denn es gibt zwar ab 2026 den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern, aber keine Pflicht der Schulen in Rheinland-Pfalz einen Ganztagsbetrieb anzubieten.

Marc Weigel, Oberbürgermeister von Neustadt an der Weinstraße am Juliusplatz.
Marc Weigel (FWG), Oberbürgermeister der Stadt Neustadt an der Weinstraße.

OB Weigel: Ganztagsbetreuung wird zum Stückwerk

Was Bund und Länder sich da ausgedacht haben, "das ist Murks", findet Oberbürgermeister Weigel. Sich klar zu einem Ganztagsschulsystem zu bekennen, wäre aus seiner Sicht besser. Dann würde die Ganztagsbetreuung jeweils in den Schulen erfolgen. Grundschulkinder in Schulen, Horten oder Tagespflegeeinrichtungen unterbringen zu müssen, damit sie betreut werden können, bezeichnet Weigel als "Stückwerk".

Der Rechtsanspruch würde damit zwar irgendwie erfüllt. Es sei so aber nicht möglich, eine Betreuung "von der Qualität, die wir uns wünschen" sicherzustellen, so Weigel. Auch weil nicht absehbar sei, ob allein für die Betreuung in den Grundschulen genügend Fachpersonal gefunden werden könne.

Wir gehen daher davon aus, dass nicht überall der Rechtsanspruch ab 2026 erfüllt werden kann.

Städtetag: Frust bei den Eltern ist abzusehen

Auch beim Städtetag Rheinland-Pfalz gibt es große Zweifel, dass zum Starttermin ausreichend Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen werden. "Wir gehen daher davon aus, dass nicht überall der Rechtsanspruch ab 2026 erfüllt werden kann", warnt der Vorsitzende David Langner. Der Frust bei den Eltern sei somit vorprogrammiert.

Der Städtetag teilte zudem auf SWR-Anfrage mit: "Nach unseren Informationen bietet so gut wie keine Grundschule, egal in welcher Form, ein Betreuungsangebot von täglich acht Stunden an."

Gewerkschaften erwarten deutlich höheren Personalbedarf

Auch Gewerkschaften habe große Zweifel daran, dass der Rechtsanspruch für alle Kinder fristgerecht umgesetzt werden kann. Die Umsetzung "wird nicht flächendeckend gelingen", prognostiziert Kathrin Gröning, GEW-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, auf Anfrage des SWR. Dies gehöre zu einer realistischen Einschätzung der Situation.

Das sieht auch Lars Lamowski, der Landeschef des VBE Rheinland-Pfalz, so. Schon jetzt sei es vielerorts kaum möglich, die Ganztagsbetreuung mit Fachkräften abzudecken. Durch den Anspruch auf Betreuung steige der Personalbedarf noch einmal deutlich, so Lamowski: "Dies wird zu Lasten der Qualität der Nachmittagsbetreuung gehen, da so weniger pädagogische oder sportliche Angebote gemacht werden können und die Kinder eher verwahrt als betreut werden."

Ärger um Ganztagsbetreuung auch in Baden-Württemberg

Während die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz keinen Anlass sieht, die Kommunen im Land bei den Kosten für die Ganztagsbetreuung zu unterstützen, ist im Nachbarbundesland ein Streit darüber entbrannt. In der baden-württembergischen Landesregierung setzen sich CDU-Politiker dafür ein, den Städten und Gemeinden dabei finanziell zu helfen, die Betreuung sicherzustellen.

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