- Ukrainer engagiert sich für seine Heimat
- Hilfsbereitschaft für Ukraine hat in Deutschland nachgelassen
- Ukraine ist auch in den Medien weniger präsent
- Bevölkerung muss immer wieder neu angesprochen werden
- Caritas sieht ungebrochene Hilfsbereitschaft
- Medienwissenschaftler sieht Grenzen der Aufnahmefähigkeit
- Hoffnung auf Ende des Krieges
Ukrainer engagiert sich in Bodenheim bei Mainz für seine Heimat
Der Ukrainer Michael Rosher lebt in Wiesbaden. Vor vier Jahren ist er mit seiner Familie von Berlin in die hessische Landeshauptstadt gezogen. Nun hilft der 42-jährige Lebensmitteltechniker in einem Verein in Bodenheim bei Mainz, der sich für die Ukraine engagiert. Insgesamt lebt er nun schon 20 Jahre in Deutschland.
Rosher berichtet, dass der Krieg gegen sein Geburtsland für ihn zu Beginn ein großer Schock war. Viele seiner Freunde und Angehörigen wohnen noch in Charkiw, wollen von dort aber nicht weg, obwohl er sie mehrfach darum gebeten habe.
In der ersten Phase des Krieges sei die Stadt Charkiw stark betroffen gewesen von den russischen Angriffen. Mittlerweile würden viele versuchen, wieder mehr in ihren Alltag zu finden, aber der Krieg gehe natürlich trotzdem weiter und sei präsent bei den Ukrainern und Ukrainerinnen auch in Rheinland-Pfalz.
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Hilfsbereitschaft in Deutschland für Ukraine hat nachgelassen
Rosher lobt die anfangs sehr große Hilfsbereitschaft in Deutschland. Man merke aber, dass die Aufmerksamkeit und die Unterstützung hierzuland nachgelassen hätten.
"Es gab von Anfang an viel Hilfe aus Deutschland, auch viele Hilfsvereine, wie den Verein 'Nicht Reden.Machen!' in Bodenheim oder den Verein 'Mombach hilft Ukraine'. Es gab schon viele gute Sachen, aber man merkt schon, dass langsam auch wir in Europa müde werden und auch weniger helfen, und das merkt auch das ukrainische Volk. Ich verstehe das, aber ich möchte, dass das nicht vergessen wird", sagt Rosher.
Diese Entwicklung fällt auch dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) auf. Auf SWR-Anfrage teilte der DRK-Bundesverband schriftlich mit: "Die Solidarität ist in großen Teilen der deutschen Bevölkerung weiterhin stark ausgeprägt und die Spendenbereitschaft entsprechend hoch. In den letzten Jahren haben sehr viele Menschen für die Ukraine gespendet und unsere Arbeit vor Ort und für ukrainische Geflüchtete unterstützt. Das Deutsche Rote Kreuz merkt aber auch, dass die Spenden zurückgehen, umso länger der Konflikt andauert und umso stärker andere Themen in den Vordergrund rücken.“
Auch in den Medien ist die Ukraine weniger präsent
Rosher fällt auf, dass der Nahost-Konflikt seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober und den permanten Angriffen Israels auf den Gazastreifen auch in den Medien einen viel größeren Raum einnimmt als der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.
"Wir hatten zuerst Corona, dann Corona und Ukraine und jetzt Israel und Ukraine in den Online-Newsblocks. Ich habe Angst, aber erwarte auch, dass die Ukraine irgendwann aus dieser Berichterstattung verschwindet. Dann wird nicht mehr jede Stunde etwas dazu veröffentlicht, sondern es wird immer immer weniger", befürchtet Rosher.
Spendenhilfeverein: Bevölkerung muss immer neu angesprochen werden
Beim Spendenhilfeverein "Nicht Reden.Machen!" in Bodenheim bei Mainz kennt man das Problem. Am Anfang sei die Euphorie ganz groß gewesen, sagt Vorstandsmitglied Dirk Stelzer. "Jeder wollte helfen, jeder hat gesehen, dass da Leid ist. Das Leid ist immer noch da, aber es wird weniger in den Medien publiziert. Und deswegen ist es nicht mehr in den Köpfen der Bevölkerung".
Um das gleiche zu erreichen wie zuvor, sei sehr viel mehr Aufwand nötig. "Im Moment machen wir fast jeden Monat eine eigenständige Aktion. Und die wirkt zwei bis drei Wochen und dann ebbt das wieder ab. Und dann brauchen wir wieder eine neue Aktivität", sagt Stelzer dem SWR.
Die nachlassende Spendenbereitschaft habe auch mit der geringeren Präsenz der Ukraine in den Medien zu tun, so Stelzer. Er und Michael Rosher weisen gemeinsam auf den bevorstehenden Winter in der Ukraine hin. Da mit weiteren russischen Bombardements zu rechnen sei, seien jetzt vor allem Zelte, Schlafsäcke und Isomatten gefragt. Viele Menschen müssten bei Verwandten oder in Hütten oder Zelten schlafen und hierfür würden diese Sachspenden jetzt gebraucht. Aktuell komme ein Fahrer aus der Ukraine, der einen Transport mit Schlafsäcken und Rucksäcken mitnehmen werde. Ungefähr einmal pro Woche gebe es diese Transporte und sie seien dringend notwendig.
Caritas sieht ungebrochene Hilfsbereitschaft in Deutschland
Etwas anders sieht das Dariush Ghobad von Caritas International in Freiburg. Seiner Auffasssung nach ist die Spendenbereitschaft auch 600 Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine groß. Sie habe zwar leicht nachgelassen, bewege sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Die Euphorie und die Herzlichkeit der deutschen Bevölkerung bestehe auch nach wie vor. Viele Menschen seien bereit, Umwege in Kauf zu nehmen, um Menschen zu begleiten und ihnen zu helfen, hier in Deutschland Fuß zu fassen, sagte Ghobad im Gespräch mit dem SWR.
Menschen können nur wenige Themen gleichzeitig verarbeiten
Der Medienwissenschaftler Gregor Daschmann sagt, die meisten Menschen seien nicht in der Lage, mehr als zwei oder drei tagesaktuelle Themen gleichzeitig zu verarbeiten. Das hätten Umfragen ergeben.
"Wenn die Ukrainekrise kommt, dann wird der Klimawandel vergessen. Wenn in Israel was passiert, wird die Ukrainekrise vergessen. Und so weiter. Das sind Effekte, die gibt es beim Publikum", stellt Daschmann fest. Aber auch die Medien hätten an diesem Phänomen Anteil. Denn auch sie seien immer stark auf ein Thema fokussiert. Dies werde an die Köpfe der Menschen weitergegeben und so entstehe eine "Engführung der Themen in der öffentlichen Debatte".
Wichtig dabei sei auch, ob es bei einem Thema eine neue Entwicklung gebe. Nur dann wecke dieses Thema die Aufmerksamkeit der Medien und gelange dadurch auch wieder in die Köpfe der Menschen. Ansonsten sei es schwer, dies durch eine einfache Fortführung der alltäglichen Berichterstattung zu erreichen, resümiert Daschmann im SWR.
Rosher hofft auf baldiges Ende des Krieges
Michael Rosher sagt jedenfalls, die Ukraine, aber auch die westlichen Länder müssten durchhalten bei ihrer Hilfsbereitschaft. Denn das Land sei im Krieg gegen Russland darauf angewiesen. Er hofft auf ein Ende des Krieges, damit die Menschen wieder in ihre Heimat und in ihre Wohnungen zurückkehren und in Frieden leben können.
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