Die letzten Vorbereitungen in der Arena Trier laufen. Michael Windisch ist einer von 200 freiwilligen Helfern, die am Donnerstag die große Veranstaltungshalle für den Sommerkongress der Zeugen Jehovas vorbereiten.
Windisch ist lokaler Sprecher der Zeugen Jehovas und seit seiner Kindheit bei der Glaubensgemeinschaft aktiv. "Ich bin katholisch getauft worden", erzählt der Banker, der in der Südeifel lebt. Seine Mutter sei Ende der 1980er-Jahre in Kontakt mit den Zeugen Jehovas gekommen. "Ganz klassisch an der Haustür."
"Ich habe mich dann entschieden, auch Zeuge Jehovas zu sein", so der 37-Jährige. Die Werte und Grundsätze der Bibel sind ihm sehr wichtig. Damit führe er ein "glückliches und gutes Leben."
Michael Windisch möchte auch mit dem Vorurteil aufräumen, dass es den Zeugen Jehovas nur darum gehe, Mitglieder zu sammeln. Es werde nicht einfach jeder aufgenommen. "Die Bibel sowie Moral und Werte müssen eine große Rolle im Leben spielen. Wir wollen Menschen, die wirklich aufrichtig eine Freundschaft zu Gott haben möchten und die Bibel kennenlernen möchten - das bieten wir an."
Bistum Trier: "Zeugen Jehovas gelten als 'Sekte' schlechthin"
Nicht alle sehen das so positiv. Auf der Internetseite des Bistums Trier werden die Zeugen Jehovas als "wohl bekannteste religiöse Sondergemeinschaft in Deutschland" bezeichnet. Hinter der Fassade erweise sich die Gemeinschaft sehr schnell als "restriktive Organisation, die von den Anhängerinnen und Anhängern blinden Gehorsam erwartet und für kritische Rückfragen, Einwände oder Bedenken keinen Raum hat."
Weiter heißt es dort: "Wegen strenger Schulungen, gegenseitiger Kontrollen und der Erwartung des baldigen Weltendes gelten sie als die 'Sekte' schlechthin."
Die Bezeichnung "Sekte" weist Zeuge Jehova Michael Windisch aus der Südeifel weit von sich. "Wir sind keine Sekte. Wir sind echte Christen. Wir versuchen so zu leben, wie es die Christen im 1. Jahrhundert vorgegeben haben." Das Wort "Sekte" ist aus seiner Sicht auch eine Stigmatisierung und Abwertung. "Eigentlich müsste man in der Gesellschaft weiter sein."
Wenn die Familie Zeugen Jehovas sind Eine Welt voller Verbote, die Angst etwas falsch zu machen oder zu sterben
Alexander Gutbrod ist in einer Familie von Zeugen Jehovas aufgewachsen - und ausgestiegen.
Was andere christliche Kirchen ebenfalls sehr skeptisch sehen: Zeugen Jehovas praktizieren keine Ökumene, also eine Zusammenarbeit verschiedener Religionen. "Sie weichen echtem Dialog aus", sagen etwa Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche.
"Andere Religionen halten sie für einen Teil der vom Teufel durchdrungenen Außenwelt." Eine Einschätzung, die von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen stammt und auch die Auffassung des Bistums Trier wiedergibt, wie eine Sprecherin dem SWR bestätigte.
"Eine Zusammenarbeit mit anderen Religionen gibt es ganz bewusst nicht", so Michael Windisch von den Zeugen Jehovas. "Wir schauen nicht herunter auf andere Religionen, aber die Bibel lässt die Vermischung von Religionen nicht zu."
Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen ab
Ein weiterer Kritikpunkt: Bluttransfusionen sind bei den Zeugen Jehovas in den meisten Fällen verboten. Die Gläubigen berufen sich dabei auf alttestamentliche Bibelstellen.
"Bluttransfusionen von Vollblut lehnen wir ab", bestätigt der lokale Sprecher der Zeugen Jehovas. Schon in der Bibel stehe: "Wir sollen uns des Blutes enthalten". Er selbst habe eine Patientenverfügung im Geldbeutel, erzählt Michael Windisch. Darauf stehe, welche Alternativen zur Transfusion die Zeugen Jehovas akzeptieren.
Aussteiger berichten von psychischem Druck bei Zeugen Jehovas
Kritiker schätzen die Zeugen Jehovas als autoritäre Gruppe ein. Sie verweisen dabei auf strenge Vorschriften, den Glauben an einen bald bevorstehenden Weltuntergang und einer "Entscheidungsschlacht" zwischen Jehova und dem Bösen (aus dem die Zeugen Jehovas als auserwählte Gemeinde für das Reich Gottes gerettet werden).
Aussteiger berichten von erheblichem psychischem Druck, dem man in der Gemeinde ausgesetzt sei. "Die Zeugen Jehovas haben sich als eine Elite betrachtet, die von Gott auserwählt ist. Sie sind die Guten, sie gehören dazu, wenn dieser große Krieg Gottes eintrifft und sie werden dann gerettet", berichtete eine ehemalige Zeugin Jehovas in einem Radio-Feature im SWR. Man lebe als Zeuge Jehovas in einer Art Parallelwelt.
Aus seiner Sicht ist es sehr leicht, bei den Zeugen Jehovas auszutreten, sagt Michael Windisch. "Wenn jemand keine Lust mehr hat und das aktive Glaubensleben nicht mehr führen kann, dann ist das so." Man könne aber auch jederzeit wieder zurückkommen.
Amoklauf bei Zeugen Jehovas in Hamburg wirkt nach
Michael Windisch hofft, dass er mit seiner Glaubensgemeinschaft am Wochenende in Trier einen friedlichen Kongress abhalten kann. Zu nah sind noch die Erinnerungen an den Amoklauf im Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Hamburg. Dabei sind Mitte März sieben Menschen getötet worden, darunter ein ungeborenes Kind. Anschließend erschoss sich der Täter selbst.
Strengere Sicherheitsmaßnahmen gibt es beim Treffen der Zeugen Jehovas in der Arena Trier nicht, so ein Sprecher des Organisationsteams. "Wir schauen an den Eingängen ganz bewusst, wer reinkommt, unsere Ordner haben ein wachsames Auge."
Michael Windisch aus der Südeifel freut sich sehr auf den Kongress der Zeugen Jehovas in Trier. "Ich wünsche mir, dass wir alle gestärkt werden und dass diese Stimmung der kommenden Tage lange anhält."